Operation Ocean Emerald
eines Tennisballs aus sechzig Kilometern Entfernung wahrzunehmen. Bei Bedarf konnte man auch reagieren – die Hauptbewaffnung der Tromp bestand aus Bodenluftraketen. Auf dem Vorderdeck stand zusätzlich eine Viereinhalb-Zoll-Kanone.
Van Heerevelt sah sich den Computerausdruck an. Das Schiff, von dem das Notsignal kam, befand sich ungefähr hundert Meilen östlich der Tromp. Er kannte die Ocean Emerald und wusste, dass sie, die Besatzung mitgezählt, über 1500 Personen an Bord hatte. Aus dem GMDS S-Signal ließ sich nicht entnehmen, welche Probleme das Schiff hatte, aber es musste etwas Ernstes vorgefallen sein, sonst wäre das Notsignal nicht ausgesandt worden. Eine der schlimmsten Möglichkeiten war ein Brand an Bord.
»Neuer Kurs 090, volle Kraft voraus«, sagte van Heerevelt dem Offizier, der Wache hatte.
»Neuer Kurs 090, volle Kraft voraus«, wiederholte der Wachoffizier.
Der 144 Meter lange Rumpf der Tromp machte eine weite Drehung um 180 Grad. Der Bug pflügte durch die Wellen, der Qualm aus dem Schornstein mischte sich mit den Luftwirbeln, als die starken Rolls-Royce-Spey-Gasturbinen angelassen wurden und das Schiff sich einer Geschwindigkeit von 30 Knoten näherte.
ZWEITER TEIL
18
Die majestätische Gestalt der Ocean Emerald steuerte in der Dunkelheit des Abends mit voller Kraft voraus in Richtung Süden. Die finnische Küste mit der Stadt Hanko an der Südspitze ließ sie schnell hinter sich. Die langen geraden Fensterreihen leuchteten. In den Kabinen machten sich die Kreuzfahrtpassagiere für den Abend schick.
In Kabine 7039 lag jedoch ein Junge auf dem Fußboden, der mit Handschellen an den Bettpfosten gefesselt war.
Fieberhaft überlegte Aaro, was er tun konnte, um die offensichtlich bevorstehende Katastrophe zu verhindern. Sich aus eigener Kraft zu befreien, war nicht möglich. Die einzige Chance bestand darin, die Terroristen dazu zu bringen, ihn freizulassen. Sollte er sich krank stellen? Oder ihnen erzählen, sein Vater würde ihn garantiert längst suchen, weshalb die Gangster ihr Spiel schon verloren hätten?
Aber ein Plan war so armselig wie der andere. Was würde ein CI A-Agent in einer solchen Situation tun? Das war schwer zu sagen, weil sein Vater ihm nicht erlaubte, die Filme anzuschauen, in denen Agenten für Ordnung auf der Welt sorgten. Sogar die Bond-Filme hatte Aaro offiziell erst anschauen dürfen, nachdem er das gesetzlichvorgeschriebene Alter erreicht hatte, obwohl alle anderen sie schon gesehen hatten, sobald sie aus dem Sesamstraßenalter heraus waren.
Der Widerstand seines Vaters hing Aaros Meinung nach damit zusammen, dass der Mann in seinem Beruf so viele unschöne Dinge zu Gesicht kriegte. Er konnte richtig böse werden, wenn Aaro von seiner Mutter die französische Version eines Action-Films bekam, weil das angeblich eine gute Methode war, seine Sprachkenntnisse aufzufrischen. In Genf hatte ihm seine Mutter sogar eine Playstation gekauft und dazu zwei Ballerspiele. Prompt hatte Aaro durch die Tür gehört, wie sich seine Eltern darüber gestritten hatten. Sein Vater hatte seiner Mutter vorgeworfen, sie hätte die Konsole bloß gekauft, um Aaro ruhigzustellen, weil sie so lange arbeitete und ihren Sohn viel zu oft dem Au-pair-Mädchen überließ.
In seiner Verzweiflung kam Aaro auf die Idee, um Hilfe zu rufen. Eigentlich war Schreien sinnlos, denn die Kabinen auf einem Luxusdampfer waren schallisoliert, das hatte er schon an der dicken Tür gesehen. Aber vielleicht drang seine Stimme durch die Schächte der Klimaanlage ja irgendwohin!
Er schrie mit aller Kraft: »HILFE! HELP!«
Es schien, als schluckten Teppichboden und Tapeten seine Worte vollständig und die eigentliche Schallisolierung erst recht.
Da ging die Kabinentür auf. Aaro zuckte zusammen. War sein Schreien doch bis auf den Gang gedrungen?
Juliette du Pont betrat die Suite. Aaros Herz hämmerte.Würde sie ihn bestrafen, vielleicht sogar knebeln, damit er Ruhe gab?
Er hörte gedämpfte Geräusche im Raum nebenan; offenbar ging die Frau im Zimmer umher. Dann öffnete sich die Kabinentür erneut und Juliette war wieder weg.
Sein Schreien war also nicht einmal bis auf den Gang an Juliettes Ohren gedrungen. Aaro wusste nicht, ob er deswegen erleichtert oder enttäuscht sein sollte.
Im Aufsichtszentrum der für den Finnischen Meerbusen zuständigen Küstenwache leuchteten die Radarbildschirme. Leutnant Vierto beobachtete zwei Lichtpunkte: Der schnelle Nordic-Jet-Katamaran holte gerade die
Weitere Kostenlose Bücher