Operation Ocean Emerald
große Fähre Romantika der Reederei Tallink ein. Quer zur Verbindung Helsinki-Tallinn verkehrten zwischen Ost und West eine Menge Frachtschiffe, darunter ein Öltanker, der aus Primorsk kam.
»Herr Leutnant, SO S-Funkspruch von der Ocean Emerald.« Die Stimme des jungen Diensthabenden klang scharf und angespannt. »Das ist das Kreuzfahrtschiff, das heute von Helsinki aus nach St. Petersburg losgefahren ist.«
»Nehmen Sie Verbindung zu dem Schiff auf und fragen Sie, was los ist«, sagte Vierto. »Stellen Sie sich auf eine Rettungsoperation ein.«
Vierto wusste, dass es bei Schiffsunglücken keine Zeit zu verlieren galt. Er war als Wehrpflichtiger im Dienst gewesen, als am 28. September 1994 die Personenfähre Estonia in der Ostsee sank und 852 Menschen mit in dieTiefe riss. Damals war nicht viel zu machen gewesen – die Offiziere des Schiffs hatten den SO S-Ruf erst ausgelöst, als das Schiff bereits am Kentern war, und der schwere Sturm hatte ebenfalls dazu beigetragen, dass die Katastrophe damals biblische Ausmaße angenommen hatte.
Auch jetzt nahm der Wind immer mehr zu.
»Finnish Coast Guard calling Ocean Emerald«
, sagte der Diensthabende über den internationalen Notkanal 16.
Im Prinzip sollten alle Schiffe ständig diese Frequenz hören, für alle Fälle, aber manchmal konnte das anstrengend werden. Denn obwohl der Kanal eigentlich Notrufen vorbehalten war, nahmen sich manche das Recht heraus, ihn für das allgemeine Amüsement zu missbrauchen. Vierto erinnerte sich an den britischen Marineoffizier, den er vor einigen Jahren getroffen hatte und dessen Nerven im Persischen Golf von den Zwischenrufen eines Idioten auf dem Notrufkanal strapaziert worden waren. Der Unbekannte hatte stundenlang dasselbe sinnlose Wortpaar in den Äther gegrölt:
»Filipino Monkey.«
Der Diensthabende drehte sich zu Vierto um und wirkte noch aufgeregter als zuvor. Seine Wangen waren rot vor Eifer. »Die Ocean Emerald antwortet nicht, Herr Leutnant.«
Im selben Augenblick bemerkte Vierto etwas Seltsames: Die Emerald befand sich südlich von Hanko, obwohl sie auf dem Weg nach St. Petersburg sein sollte.
Vierto übernahm das Mikrofon des Diensthabenden und setzte sich den Kopfhörer auf.
»Guten Abend, Ocean Emerald. Ihr Schiff hat gerade eben über GMDSS ein Notsignal geschickt. Was haben Sie für ein Problem?«
Es folgte ein Moment der Stille, dann war im Kopfhörer ein heftiger Wortwechsel zu vernehmen.
»Wir bitten um Verzeihung, das Signal ist versehentlich ausgesandt worden. Wir warten gerade die Funkanlage und dabei ist es leider zu einem Missgeschick gekommen.«
Die Stimme von der Ocean Emerald klang fest und sachlich, aber irgendwie zweifelte Vierto an ihrer Ehrlichkeit. Es war ziemlich selten, dass die Apparaturen eines großen Kreuzfahrtschiffes bereits wenige Monate nach dem Stapellauf gewartet werden mussten. Außerdem unterliefen den Mechanikern dabei normalerweise nicht so gravierende Fehler.
»Sie sollten auf dem Weg nach St. Petersburg sein, aber Ihre Position ist jetzt westlich von Helsinki. Darf ich fragen, weshalb?«
»Wir sind … Wir mussten unser Kreuzfahrtprogramm ändern. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Reederei. Aber ich kann Ihnen versichern, dass Schiff, Passagiere und Besatzung in bester Verfassung sind. Wir haben keine Probleme.«
»Na schön. Danke und gute Fahrt.«
Vierto legte das Mikrofon auf den Tisch und seufzte. Ein solcher falscher Alarm war ihm in seiner gesamten beruflichen Laufbahn noch nicht untergekommen. Und aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung hielt er es fürsehr unwahrscheinlich, dass es jetzt dazu gekommen war. Er glaubte die Geschichte mit dem Fehlalarm ganz einfach nicht.
Darum beschloss er, seinem Vorgesetzten Meldung zu machen – für alle Fälle.
19
»Sehr gut, Kapitän Hagen«, sagte Philippe Delacroix auf der Kommandobrücke der Ocean Emerald. Das Schiff schwankte träge auf und ab, da der Südwestwind weiter zunahm und den Seegang stärker werden ließ.
»Vermutlich werden wir jetzt eine Weile unsere Ruhe haben«, fuhr Delacroix fort. »Und nun muss ich Sie bitten, dass Sie den Passagieren und der Crew die Lage erklären und anschließend mir das Mikrofon übergeben.«
Hagen sagte nichts. Er sah die Umrisse seines schweigenden Steuermanns an der Steuerkonsole der Brücke. Der Regen prasselte auf die großen Scheiben, in denen sich die verschiedenfarbigen Signallampen der Armaturen spiegelten.
Delacroix stand am Kartentisch, im Licht
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