Operation Ocean Emerald
der Bürolampe. Der Vertreter der Finsternis hatte sich den einzigen hellen Fleck im ganzen Raum ausgesucht.
»Zuvor würde ich gerne den Sicherheitschef des Schiffes informieren. Mr Thomson sollte die Lage kennen, damit er nicht zu viel Eigeninitiative ergreift.«
Delacroix schien nachzudenken. »Na gut. Aber sagen Sie zuerst mir, was Sie ihm zu sagen gedenken.«
Delacroix hörte Hagen zu, dann gestattete er mit einem Kopfnicken den Anruf.
Hagen hätte nie geglaubt, dass es einmal derart erleichternd sein würde, die Stimme des Wolfes zu hören. Er sprach so kurz wie möglich, um Delacroix nicht unnötig zu reizen.
»Wir sind gekapert worden. Der Anführer der Gruppe ist bei mir auf der Brücke.« Hagen räusperte sich und fuhr in sachlichem Ton fort: »An Bord sind Sprengsätze versteckt worden, die per Funkauslöser gezündet werden können. Ein Auslöser befindet sich bei Herrn Delacroix, der andere bei einem Entführer, der als Passagier auftritt. Wir befolgen ihre Anweisungen. Das ist ein Befehl. Haben Sie verstanden?«
»Ich habe verstanden. Können Sie …«
Hagen brach das Gespräch ab. Er wollte das Leben der Passagiere nicht unnötig gefährden. Nichts an Delacroix’ Verhalten deutete auf einen fanatischen Terroristen hin. Vielleicht kämen sie alle davon, indem sie schlicht und einfach gehorchten.
»Jetzt informieren Sie die Passagiere in ganz allgemeiner Form und reichen das Mikrofon dann an mich weiter.«
Hagen räusperte sich erneut und nahm das Mikrofon vom Steuerpult. Es schnürte ihm die Kehle zu und sein Herz schlug heftig, aber er gab sich Mühe, möglichst ruhig zu sprechen. Einen Moment lang glaubte er, ohnmächtig zu werden. Die Wirklichkeit hatte sich zu einem Albtraum verzerrt.
»Guten Abend, verehrte Gäste. Hier spricht der Kommandantdes Schiffes, Kapitän Hagen …« An dieser Stelle musste er tief Luft holen, um seine Stimme unter Kontrolle zu halten.
»Die Ocean Emerald ist gekapert worden. Die Entführer haben angeordnet, dass niemand sein Handy benutzen darf, auch wenn er zwischenzeitlich Netz haben sollte. Sie verfügen über einen Scanner, der sämtliche vom Schiff aus geführten Telefonate registriert. Ich muss Sie alle um Ihre Kooperation bitten und hoffe sehr, dass niemand den Anweisungen der Entführer zuwiderhandelt, da wir ansonsten alle darunter zu leiden haben. Derzeit besteht kein Grund zur Panik. Leider werden wir morgen nicht in St. Petersburg einlaufen können. Vielen Dank.«
Hagen reichte Delacroix das Mikrofon.
»Guten Abend auch von meiner Seite. Ich bin der neue Kommandant des Schiffes …«
Die gezwungen ruhige Stimme aus dem Lautsprecher verursachte keinerlei Regung in Thomsons Gesicht. Gerade hatte er auf Deck 6 die Tür zum Kontrollraum aufgerissen und jetzt stand er außer Atem vor der Wand mit den Monitoren.
»Wie Kapitän Hagen gerade gesagt hat, können wir unmittelbar sehen, wenn jemand sein Mobiltelefon benutzt …«
Während er zuhörte, was der Entführer sagte, schaltete Thomson das Nahfunknetz ein, mit dessen Hilfe die an verschiedenen Stellen des Schiffs tätigen Mitglieder des Bereitschaftsteams Kontakt zueinander halten konnten.Jeder Ferrum-Angehörige trug einen kleinen, unauffälligen Sender-Empfänger, der in jede Hosentasche passte.
»Falls es jemand auch nur versucht, werden wir zur Strafe willkürlich eine Person aus der Passagierliste auswählen und töten …«
Thomson kniff die Augen ein klein wenig zusammen. Dann drückte er auf den Alarmknopf des Funknetzes. Dadurch gab der Empfänger jedes Mitglieds des Sicherheitsteams Vibrationsalarm.
»Das Gleiche gilt für den Fall, dass ein Passagier oder ein Mitglied der Crew versucht, uns anzugreifen oder in anderer Form den Gang der Ereignisse zu beeinflussen …«
Aaro hörte die Stimme auf dem Fußboden in Delacroix’ Kabine und musste schwer schlucken. Er war wie vor den Kopf gestoßen, aber nicht überrascht. Vielmehr fügten sich die einzelnen Teile auf unschöne Art zu einem Bild zusammen.
Zu einem sehr unschönen Bild.
»Absoluter Gehorsam wird damit belohnt, dass niemandem ein Haar gekrümmt wird …«
Ach ja, dachte Aaro. Er verließ sich kein bisschen auf das, was Delacroix sagte.
Aaro knirschte mit den Zähnen. Hätte er etwas unternehmen können, um die Entführung zu verhindern? Womöglich hätte er sich heftiger wehren müssen, er hätte zur Kommandobrücke rennen und den Kapitän informieren müssen. Oder? Konnte eine Mücke
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