Operation Overkill
sie haben wollte, hielt Juri eine Flasche Riechsalz unter Richters Nase. Er schniefte, dann schlug er die Augen auf. Besser gesagt, ein Auge, denn das andere war offenbar verklebt, vermutlich mit getrocknetem Blut. Orlow lä-
chelte noch immer. »Und noch mal, Richter. Was wissen Sie?«
Richter versuchte zu sprechen, brachte aber nur ein Krächzen hervor.
»Wasser. Hol ihm ein Glas Wasser.«
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Richter trank ein, zwei Schlucke, dann hustete er.
»Wir warten.«
Richter versuchte es noch mal. »Kennen Sie den mit dem irischen Stepptänzer? Fiel in die Spüle und –«
Juri fing erneut an, diesmal noch härter, falls das überhaupt ging, und Richter spürte, wie er wegdämmerte. Orlow ging dazwischen.
»Nun, Richter?«
Richter schüttelte den Kopf. Juri fing wieder an, und diesmal schlug er abwechselnd auf Richters Gesicht und dessen Bauch ein. Ein ums andere Mal.
Richter verlor zweimal die Besinnung, vielleicht auch dreimal, und jedes Mal wurde er mit dem Salz wieder zu sich gebracht. Sein Kopf tobte, als würde er mit einer riesigen Pumpe aufgeblasen und wieder leer ge-saugt, und sein Bauch schmerzte, als hätte ihn ein Esel getreten. Er spürte, wie seine Widerstandskraft allmählich schwand.
Er wollte nur noch, dass sie aufhörten. Insgeheim verfluchte er Juri und Orlow, vor allem aber verfluchte er Simpson, weil der ihn überhaupt in diese Sache hineingeritten hatte. Nur sich selbst durfte er nichts vorwerfen, denn er musste wütend bleiben, wenn er nicht die Beherrschung verlieren wollte. Und die durfte er nicht verlieren, denn letztendlich musste er ihnen etwas erzählen, aber nicht das, was er wusste. Deshalb fluchte Richter ein ums andere Mal lautlos vor sich hin.
Juri taten mittlerweile offenbar die Hände weh, denn Richter nahm undeutlich wahr, dass sich die 412
Schläge anders anfühlten. Nicht mehr wie harte Treffer auf Fleisch und Knochen, sondern eher ein brennender, schneidender Schmerz. Vorsichtig schlug er das Auge auf und sah, dass Juri ein Handtuch in der Hand hatte. Außerdem hatte er seinen Stuhl umgedreht, damit er es bequemer hatte, und er hatte einen Eimer Wasser vor sich stehen. Zwei Schläge, einer links, einer rechts, Handtuch eintauchen, auswringen, zwei Schläge, einer links, einer rechts, Handtuch eintauchen. Juri sah aus, als könnte er die ganze Nacht so weitermachen. Richter wiederum war klar, dass er das nicht aushalten würde. Er musste der Sache ein Ende machen, und zwar rasch.
Und mit einem Mal hörte es auf. Richter riss den Kopf hoch, als ihm der stechend scharfe Salzgeruch in die Nase stieg, und schaute Orlow an. »Das war erst ein Vorgeschmack, Richter. Ab jetzt wird Juri Ihnen die Knochen brechen, bei den Fingern angefangen. Es sei denn natürlich, Ihnen ist nach Reden zumute.«
Richter bot seine letzte Kraft auf und nickte. Er durfte nicht zulassen, dass Juri sich seine Hände vornahm. Er hatte zwar keine Ahnung, wie er jemals wieder aus diesem Haus herauskommen sollte, aber wenn Juri ihm die Finger brach, war Feierabend.
Dann war er so gut wie tot, ohne dass er irgendetwas dagegen unternehmen konnte. Solange seine Hände heil waren, hatte er zumindest eine Chance.
»Heißt das, dass Sie reden wollen, Richter?«, fragte Orlow. Richter nickte erneut.
»Schön, schön. Ich wusste doch, dass Sie irgend-413
wann ein Einsehen haben würden. Wisch ihm das Gesicht ab, Juri, und hol ihm noch ein Glas Wasser.«
Wenn Richter sich einen barmherzigen Samariter gewünscht hätte, wäre Juri der Letzte gewesen, der dafür in Frage kam. Er wischte ihm zwar mit dem nassen Handtuch das Gesicht ab, aber Richter hatte das Gefühl, als ob er eine Feile dazu benutzte. Eine Feile, mit der er mit aller Kraft aufdrückte. Das einzig Gute daran war, dass Richter hinterher auch das andere Auge wieder aufmachen konnte. Das Glas Wasser half nicht viel. Richter wusste, dass er die Geschichte, die er erzählen wollte, so lange wie möglich hinausziehen musste. Auf diese Weise konnte er wenigstens wieder ein bisschen zu Kräften kommen, bevor Juri ihn wegschaffte und Schindluder mit ihm trieb.
»Nun, Richter«, sagte Orlow. »Wir warten.«
Richter hustete und schüttelte den Kopf. »Wo – wo soll ich anfangen?«
»Von vorn, Richter, von vorn. Wo sonst?«
Situation Room, Weißes Haus, Pennsylvania Avenue
Nr. 1600, Washington, D.C.
Sobald Walter Hicks das Oval Office verlassen hatte, ging der Präsident zum Schreibtisch und betätigte die Gegensprechanlage. »Ich bin auf dem
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