Operation Overkill
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hohen Fenstern, die zum Garten führten. Die Sonne schien auf den gepflegten Rasen und die blühenden Blumenbeete, aber er nahm nichts davon wahr. Simpson und Geraghty wechselten einen kurzen Blick. Der Premierminister drehte sich um, kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und setzte sich. Er nahm die Brille ab und rieb sich die Augen, dann setzte er sie wieder auf und wandte sich an Simpson. »Sind Sie sich ganz sicher?«, fragte er wieder. »Ein Irrtum ist ausgeschlossen? Es handelt sich um kein Täuschungsmanöver oder etwas dergleichen?«
Simpson schüttelte den Kopf und wollte etwas er-widern, aber Geraghty räusperte sich und kam ihm zuvor. »Wir sind fest davon überzeugt, dass die Erkenntnisse von Simpsons Dienst den Tatsachen entsprechen und eine ernste Gefahr für das westliche Bündnis, vor allem aber für Großbritannien besteht, Prime Minister«, sagte er. »Simpson hat uns die So-fortmaßnahmen dargelegt, die er zur Lösung des vor-dringlichen Problems, der für London bestimmten Waffe, veranlasst hat. Aber das heißt nicht –«
»Ich weiß das zu schätzen, Sir Michael«, unterbrach ihn der Premierminister. »Ich wollte mir nur absolute Gewissheit verschaffen.« Er griff zu einem silbernen Füllfederhalter, der vor ihm lag, und schraubte die Kappe ab. Dann schrieb er eine kurze Nachricht auf ein Blatt Papier und legte den Füller wieder hin. »Ich wurde nach der letzten JIC-Besprechung davon unterrichtet«, sagte er, »dass die CIA wegen gewisser Vorgänge in Russland beunruhigt ist. Nun, da Mr. Simp-484
sons Dienst festgestellt hat, worin diese Gefahr besteht, wissen wir wenigstens, womit wir es zu tun haben. Mir ist im Moment nur nicht klar, was wir dagegen unternehmen können. Natürlich wird diese Angelegenheit im Kabinett besprochen werden«, fügte er hinzu. »Und wir werden unsere militärischen Möglichkeiten sorgfältig abwägen. Welche anderen Maß-
nahmen halten Sie neben dem Einsatz in Frankreich für angemessen?«
Sir Michael Geraghty schüttelte den Kopf. »Die Nachrichtendienste können kaum mehr tun, Prime Minister. Wir haben keinen direkten Zugang – weder offiziell noch inoffiziell – zum SWR oder GRU, und selbst wenn dem so wäre, weiß ich nicht, welche Schritte wir unternehmen könnten, um die Situation zu bereinigen.
Meiner Ansicht nach können wir jetzt lediglich politische und militärische Maßnahmen ergreifen. Wir können den Kreml politisch unter Druck setzen, damit er von diesem Unternehmen Abstand nimmt, bevor es in die Tat umgesetzt werden kann. Und wir können militärische Gegenmaßnahmen für den Fall ergreifen, dass wir auf politischem Wege scheitern.«
Der Premierminister nickte. »Nukleare Abschreckung?«
»Ja, Prime Minister«, sagte Simpson. »Wir bringen zwei von unseren Atom-Unterseebooten vor der russischen Küste in Stellung und teilen dem Kreml mit, dass wir die GUS in radioaktiven Schutt verwandeln, wenn dieser schändliche Plan in die Tat umgesetzt wird.«
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»Äh, ganz recht«, sagte Geraghty, der etwas erschrocken wirkte. »Simpson hat es etwas drastisch formuliert, aber ich glaube, er hat Recht.«
Amerikanische Botschaft,
Avenue Gabriel Nr. 2, Paris
Westwood saß in der Botschaftskantine und war gerade mit dem Mittagessen fertig, als Miles Turner he-reinstürmte. »John, wir haben soeben eine dringende Nachricht aus Langley erhalten. Sie ist an Sie gerichtet«, sagte Turner und reichte ihm den Telexstreifen.
Westwood nahm das Papier entgegen und las die Textzeile: »TELEFONISCHE KONFERENZSCHAL-TUNG um 0700 EST.«
»Wann findet die Besprechung mit der DGSE statt, Mike?«, fragte Westwood, während er auf seine Uhr schaute und die Zeitverschiebung überschlug.
»Um fünfzehn Uhr Ortszeit. Sieben Uhr Eastern Standard Time ist nach mitteleuropäischer Zeit ein Uhr nachmittags – das ist in fünfzehn Minuten. Wenn die Konferenz nicht allzu lange dauert, sollte das kein Problem sein.«
»Gut«, sagte Westwood und schluckte das letzte Stück Eiscreme. »Gehen wir runter in den Kommunikationsraum.«
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Jakuszyce (polnisch-tschechische Grenze)
Modin hatte gehofft, dass der Verkehr nachlassen würde, sobald sie die Unfallstelle hinter sich hatten, aber sie kamen nach wie vor nur langsam voran. Die Fahrt von Jelenia Góra bis Jakuszyce dauerte über zwei Stunden, und an der Grenze hatte sich eine gut anderthalb Kilometer lange Schlange gebildet. Als der Konvoi anhielt, stiegen Bykow und Modin aus der Limousine und gingen zum
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