Operation Overkill
»Abfangjäger eins meldete, dass zwei Raketen Radarkontakt verloren haben und die anderen zwei weit hinter dem Ziel explodiert sind«, erklärte er. »Möglicherweise haben die Amerikaner die Zielpeilung gestört.«
»Wo sind die anderen Abfangjäger?«, fragte Kabalin an Wetrow gewandt.
»Wir haben sechs Rotten in der Luft. Sie halten ihre Höhe und warten auf Abfangvektoren. Ich habe sie so in Position gebracht, dass sie den Amerikaner in die Zange nehmen können.« Wetrow deutete auf den Bildschirm und wies auf die Jäger, die alarmiert worden waren. »Hier, in Murmansk, in Kirow, in Gorki, dazu zwei Rotten nördlich von Moskau und eine Rotte MiG-31 bei Riga.«
Kabalin dachte einen Moment lang nach. »Wenn ich diese Maschine fliegen würde«, sagte er, »würde ich die Gegend so schnell wie möglich verlassen wollen.«
Er verfolgte den Kurs des Blackbird in Richtung Südwesten und schätzte die Entfernung bis zur Grenze des Überwachungsgebiets ab. »Ich vermute, dass sie 52
nach Westen oder Nordwesten abdrehen und über Finnland abhauen wollen. Und der Großteil unserer Abfangjäger steht südlich vom voraussichtlichen Kurs des Amerikaners.« Nachdenklich rieb er sich das Kinn. »Nun«, sagte er und griff zu einem Telefon.
»Dagegen müssen wir etwas unternehmen.«
Britische Botschaft,
Sofijskaja Nabereschnaja Nr. 14, Moskau
»Was ist das?«, fragte Erroll und deutete auf die Leiche. Ein paar Zentimeter unterhalb der Schulter zog sich eine schmale, nahezu gerade und leicht blutunter-laufene Strieme quer über die Brust.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Richter, während er die Verletzung musterte. »Vielleicht stammt das vom Aufprall aufs Lenkrad, aber dazu ist die Strieme eigentlich zu geradlinig.« Als Erroll die Sicherheitsna-deln wieder anbrachte, fragte Richter, wie sie den Leichnam identifiziert hatten.
»Kein Problem. Newman war irgendwo unterwegs und befand sich auf dem Rückweg zur Botschaft, als er auf einen geparkten Lastwagen auffuhr, der Stahlträger geladen hatte. Er hatte alle Papiere bei sich, und außerdem war die Vignette der Botschaft auf den Überresten der Windschutzscheibe. Sie haben ihn aus dem Wagen geschnitten, ins Krankenhaus gebracht, festgestellt, dass er tot ist, und uns dann angerufen.«
Richter nickte und half ihm, das Schubfach wieder 53
in den Kühlraum zu schieben. Im Aufzug erkundigte er sich nach dem Totenschein. »In meinem Büro«, sagte Erroll. »Beaky – Entschuldigung, der Erste Sekretär
– hat alles an mich weitergeleitet, sobald er das Auswärtige Amt verständigt, ein Kondolenzschreiben für den Botschafter aufgesetzt hatte und dergleichen mehr. Er kann kein Blut sehen, aber das bleibt unter uns. Er lässt sich sogar seine Steaks durchbraten, wenn Sie wissen, was ich meine.«
In seinem Büro wühlte Erroll im Ausgangskorb herum und zog einen gelbbraunen Umschlag heraus.
»Das ist er. Wie sieht’s mit Ihrem Russisch aus?«
»Schlecht. Kaum ein Wort«, erwiderte Richter, der trotz der Lüge keine Miene verzog.
»Okay, ich übersetze es. Dieser Abschnitt hier bezieht sich auf die ›Todesursache‹, und da steht –
Herrgott, ist das eine furchtbare Schrift. Ah ja, ›Schä-
delvorderseite weist infolge des heftigen Aufpralls zahlreiche Frakturen auf, verbunden mit heftigen Blu-tungen und dem Austreten von‹ – was ist das? – ›Ge-hirnmasse, sowie einem Abriss des Rückenmarks.‹ Ich nehme an zerschmetterter Schädel wäre ein bisschen zu kurz gewesen, was?«
»Ich habe noch keinen Mediziner erlebt, der sich mit einem Wort begnügt, wenn er auch sechs verwenden kann«, sagte Richter. »Kann ich den Schein bekommen?«
Erroll runzelte die Stirn. »Leider nein. Der kommt morgen ins Diplomatengepäck, aber Sie können eine Fotokopie kriegen, wenn Ihnen das was nützt.«
54
Richter wollte eigentlich weder das Original noch eine Kopie haben, aber er sagte, das wäre bestens, und fragte, ob er sich den Wagen sofort und Newmans Wohnung und Büro gleich nach dem Mittagessen ansehen könnte.
»Warum so eilig?«
»Ich habe heute Nachmittag einen Rückflug mit British Airways nach London gebucht.«
»Oh, verstehe. Gut, hier ist der Unfallbericht, mit einer englischen Übersetzung, und bis heute Nachmittag habe ich eine Kopie des Totenscheins vorliegen.«
Aspen drei-vier
Die Kameras liefen seit 10.49 Uhr, und um 11.12 Uhr, nachdem sie in dreiundzwanzig Minuten fast siebenhundert Meilen russisches Territorium abgesucht hatten, war der Auftrag
Weitere Kostenlose Bücher