Operation Overkill
leicht pikiert. »Aber die ganze Geschichte klingt meiner Meinung nach eher wie Science-Fiction.
Ich jedenfalls weiß bestimmt nichts von dieser Sache.«
Scharow, der von seinem offiziellen Amtssitz, dem Harrington House in Kensington Palace Gardens, hierher zitiert worden war, war nicht gerade bester Laune. Aber ebenso missmutig war auch der Pre-753
mierminister, der fünfzig Minuten zuvor ein längeres Gespräch mit Sir Michael Geraghty, dem Chef des Secret Intelligence Service, beendet hatte.
»Das ist keineswegs Science-Fiction, Mr. Ambassador«, erwiderte der Premierminister mit kühlem Tonfall. »Das sind Fakten. Den Beweis dafür fand man in einem russischen Lastwagen, der in Frankreich angehalten wurde. Wir können Ihnen den Sprengkörper zeigen. Desgleichen die Fotos der angeblichen russischen Diplomaten, die ihn begleiteten.«
»Fotos kann man fälschen«, sagte Scharow mit einem leichten Lächeln.
»Selbstverständlich«, entgegnete der Premierminister. »Nicht aber eine Atombombe.«
Scharow schüttelte den Kopf. »Ein Täuschungsmanöver, Mr. Prime Minister«, sagte er. »Das wurde von den Amerikanern, vermutlich von der CIA, angezettelt, um uns in Misskredit zu bringen.«
Der Engländer beugte sich vor. »Das müsste aber ein sehr raffiniertes Täuschungsmanöver sein, Mr.
Ambassador. Denn dazu hätten die Amerikaner au-
ßerdem eine Kernwaffe in den abgeschlossenen Laderaum eines russischen Frachters schmuggeln müssen.«
Scharow erschrak sichtlich. »Was für ein russischer Frachter?«
»Die Anton Kirow , Mr. Ambassador, die wir vor ein paar Stunden in Gibraltar in unsere Gewalt gebracht haben. Die Bombe sollte in Gibraltar gezündet werden, weil man die Sprengkraft der neuen Kernwaffen 754
demonstrieren wollte, die Ihre Wissenschaftler entwickelt haben. Außerdem sollte Europa dadurch eingeschüchtert und zur Kapitulation bewegt werden.« Der Premierminister senkte die Stimme. »Vielleicht interessiert es Sie auch, dass wir die Waffe nur wenige Sekunden, bevor sie gezündet werden sollte, entschärfen konnten.« Er hielt inne und schaute Scharow in die Augen. »Wenn diese Waffe explodiert wäre«, sagte er,
»wären unserer Schätzung nach sämtliche Einwohner von Gibraltar sowie ein Großteil der Spanier, die in La Linea und Algeciras leben, getötet worden. Außerdem sollten Sie sich darüber im Klaren sein«, fügte der Premierminister hinzu, »dass diese unschuldigen Menschen nicht die einzigen Opfer gewesen wären.
Innerhalb weniger Minuten hätte einen Großteil der Einwohner von Moskau, St. Petersburg und Gorki das gleiche Schicksal ereilt.«
»Ich kann Ihnen nicht ganz folgen, Mr. Prime Minister«, sagte Scharow.
»Ganz einfach, Mr. Ambassador«, erwiderte der Premierminister mit einem eisigen Lächeln. »Ich habe den Kommandeuren unserer atomaren Streitkräfte eindeutige Befehle erteilt. In dem Moment, in dem irgendwo in Europa eine Kernwaffe gezündet wird, werden die beiden britischen Atom-U-Boote – die Vanguard und die Victorious – unverzüglich und ohne jede Vorwarnung sämtliche Raketen abschießen, die sie mitführen.«
»Das können Sie nicht tun, Mr. Prime Minister«, rief Scharow, dessen Gesicht rot angelaufen war, und sprang auf.
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»Ich kann und habe es getan. Ich schlage vor, dass Sie Ihre Vorgesetzten in Moskau unverzüglich davon in Kenntnis setzen. Außerdem können Sie ihnen mitteilen, dass sämtliche Trident-Raketen auf beiden Unterseebooten mit neuen Zielkoordinaten versehen wurden. Sie sind nicht auf militärische Anlagen gerichtet, sondern ausschließlich auf Moskau, St. Petersburg und Gorki. Wir werden diese drei Städte völlig vernichten, so weit wie möglich mitsamt ihrer Ein-wohnerschaft.« Einen Moment lang herrschte betroffenes Schweigen, ehe der Premierminister fortfuhr. »Sie sollten Ihren Vorgesetzten außerdem mitteilen, dass beide Unterseeboote zu Einsatzgebieten nahe der Küste der Gemeinschaft unabhängiger Staaten beordert wurden. Die Flugzeit der Raketen, so hat man mir mitgeteilt, beträgt allenfalls fünf Minuten. Ich versichere Ihnen«, fügte der Engländer hinzu, »dass diese drei russischen Großstädte spätestens zehn Minuten, nachdem einer der von Ihrer Seite in Europa in Stellung gebrachten Sprengkörper gezündet wird, ausgemerzt werden.
Russland«, schloss er, »ist nicht das einzige Land, das zu einer atomaren Erpressung fähig ist.«
Hammersmith, London
Da Richter noch nie in der Computer-Abteilung gewesen war,
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