Operation Overkill
Südfrankreich handelt?«, fragte Richter.
»Wegen der dritten Ziffer«, erwiderte Simpson.
»Daran erkennt man die Region – ein Freund von mir hat ein Haus im Département Gers. Sind Sie sich ganz sicher, Baker?«
Baker zuckte die Achseln. »Die Auskunft stammt vom System. Genau genommen benutzt er einen Server in Amerika – in Arizona –, der den Anruf weiterleitet, aber der Ausgangspunkt ist Frankreich.«
»Das begreife ich nicht«, murmelte Richter ein weiteres Mal. »Ein neuer Benutzer mit einem jiddischen Benutzernamen, der Zugang zu einem russischen Waffensteuerungsprogramm hat und aus Südfrankreich anruft? Und was treibt er in dem System?«
»Keine Ahnung.«
»Nein, ich meine damit, was er im Augenblick treibt.«
811
»Oh, okay. Er überprüft die Bereitschaft der Waffen, aber er hängt schon seit zwei Minuten an dieser Seite fest.«
»Und was für eine Seite ist das?«
»Diejenige, auf der die Waffe in Gibraltar aufgeführt ist«, erwiderte Baker. »Die anzeigt, dass die Bombe bereits gezündet wurde.«
Le Moulin au Pouchon, St. Médard, bei Manciet,
Midi-Pyrénées, Frankreich
Abbas starrte schon seit rund zehn Minuten auf den Bildschirm, denn das, was er dort las, ergab einfach keinen Sinn. Nach Auskunft des Computers in Krutaja war die Waffe in Gibraltar bereits gezündet worden.
Aber das konnte nicht sein, denn sonst hätte er etwas davon erfahren. Die Detonation einer Kernwaffe in einer dicht besiedelten Gegend konnte man einfach nicht geheim halten.
Abbas öffnete ein neues Fenster in seinem Browser und gab in das Adressenfeld »www.cnn.com« ein. Im nächsten Moment wurde die Website von CNN geladen, und er überflog kurz die Schlagzeilen. Nichts, jedenfalls nichts über Gibraltar. Trotz der Mitteilung des Computers in Krutaja war die Waffe in Gibraltar offensichtlich nicht explodiert.
Demnach gab es nur zwei Möglichkeiten – entweder hatte der Zünder nicht funktioniert, was wiederum hieß, dass möglicherweise das ganze System – die 812
Waffen und der Zündmechanismus – fehlerhaft war, oder dass irgendjemand die Waffe entschärft hatte, bevor der Zündvorgang abgeschlossen war. Die erfolgreiche Erprobung von Waffe und Zündmechanismus in der Tundra hatte bewiesen, dass das System funktionierte, daher war die zweite Möglichkeit eher wahrscheinlich. Und das wäre auch eine Erklärung dafür, dass sich Dimitri Truschenko nicht meldete.
In aller Eile, geradezu hektisch, öffnete Abbas sein Schreibprogramm und setzte eine E-Mail an Sadoun Khamil in Saudi-Arabien auf.
Squadron 47, Royal Air Force Special Forces Flight, C-
130 Hercules
Die Hercules befand sich über Le Havre, als die Funk-meldung von der Radarstation Mazout einging. Der Abflug des SAS-Trupps aus Gibraltar hatte sich wegen eines defekten Stromaggregats in der Maschine verzö-
gert, sodass bereits der Abend angebrochen war, als der Kommandant bekannt gab, dass sie startbereit wären.
»Bitte wiederholen Sie, Mazout.«
»Ihre Einsatzleitung hat uns eine dringende Bitte um Umleitung Ihres Fluges durchgegeben. Sie sollen sofort den Flughafen in Toulouse anfliegen. Bestätigen Sie bitte und teilen Sie uns mit, wenn Sie bereit zur Kursänderung sind.«
Der Kommandant der Hercules klang müde, als er die Durchsage bestätigte. »Mazout, Charlie Whisky 813
drei-sieben. Bereit zu Kursänderung. Erbitte Naviga-tionsangaben.« Die Crew hätte den Kurs nach Toulouse natürlich auch allein bestimmen können, aber sie hatten einen langen Tag hinter sich, und es sah so aus, als ob er noch lange nicht zu Ende war.
»Dreisieben, Roger. Drehen Sie nach Backbord bei und gehen Sie auf Kurs eins-sieben-fünf. Steigen Sie auf Flughöhe eins-neun-fünf.«
»Roger, Mazout. Gehe auf eins-sieben-fünf und steige auf Höhe eins-neun-fünf.«
Als sich die Maschine in die Kurve legte, griff der Copilot zum Mikrofon der Bordsprechanlage. »Gentlemen«, sagte er. »Wir haben keine Ahnung, warum, aber wir sind nach Toulouse umgeleitet worden, dem Tor zu den Pyrenäen. Wenn wir Näheres erfahren, sag ich euch Bescheid. Ansonsten könnt ihr euch schon mal darauf einstellen, dass wir in rund neunzig Minuten landen.«
Colin Dekker hatte auf seinem Sitz vor sich hingedöst, aber er riss sofort die Augen auf, als die Maschine beidrehte. Er blickte kurz auf, als die Ansage des Copiloten durch die Kabine hallte. »Das kommt von Richter«, murmelte er. »Jede Wette, dass Richter dahinter steckt.«
Buraydah, Saudi-Arabien
Sadoun Khamil
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