Operation Overkill
hundertprozentig sicher.
Richter stellte das Kombinationsschloss ein. Bei der letzten Umdrehung verpasste er die Null am Ende und musste von vorn anfangen, doch beim zweiten Versuch bekam er die Tür auf. Er griff hinein und holte drei Dokumente heraus, die ihm kurz vor seiner Abreise nach Moskau zugestellt worden waren. Das dickste war das aktuelle Defence Intelligence Monthly Digest, eine allgemeine Informationsbroschüre über die Angelegenheiten der drei Dienste. Bei den beiden anderen handelte es sich um das Defence Intelligence Summary (DISUM) und den Naval Intelligence Re-port (NIR), beide ebenso wie das Monthly Digest vom militärischen Nachrichtendienst herausgegeben. Er legte die Dokumente auf seinen Schreibtisch, stand auf und holte den Elektrokochtopf aus dem Schrank.
In diesem Moment klingelte das schwarze Telefon.
154
»Kommen Sie bitte hoch«, sagte Simpson. Er klang, als ob ihn etwas beschäftigte.
CIA-Zentrale, Langley, Virginia
Büro des Direktors für Einsatzplanung (Geheimdienste)
Walter Hickss stand auf, ging zu seinem Schreibtisch und drückte auf die Taste der Gegensprechanlage. »Jayne«, sagte er, »sagen Sie sämtliche anstehenden Termine für heute Morgen ab und stellen Sie nur die Anrufer durch, die Sie nicht abwimmeln können.« Das hieß, dass sie nicht gestört werden würden – mit Anrufern konnte Jayne hervorragend umgehen. »Okay«, sagte er, als er sich wieder an den Konferenztisch setzte. »Ihr seid die Experten. Ich kann zwar lesen, was da steht, aber ihr müsst mir sagen, was das zu bedeuten hat.«
Muldoon wandte sich an Ronald Hughes, der auf der anderen Seite des Tisches saß. »Ron, das ist eher dein Gebiet.«
»Die Nachricht wurde offenbar in aller Eile per Hand geschrieben«, sagte Hughes. »Deshalb ist sie so kurz und schwer verständlich. Aber sie enthält drei sehr genaue Informationen.« Er hob die linke Hand hoch und zählte an den Fingern ab. »Erstens teilt RAVEN mit, dass eine geheime bilaterale Offensive im Gang ist, einerseits gegen Europa gerichtet, zum zweiten gegen die Vereinigten Staaten. Ich betone, dass er
›im Gang‹ schreibt, nicht ›geplant‹, ›in Vorbereitung‹
oder dergleichen mehr.«
155
»Mein Russisch ist nicht besonders«, warf Hicks ein. »Aber diesbezüglich müssen wir absolute Klarheit haben. Ich nehme an, Sie haben die Übersetzung von unseren Spezialisten überprüfen lassen?«
»Ja. Vier Sprachanalytiker und Übersetzer haben sich mit der genauen Wortwahl befasst, und sie sind alle einer Meinung. Die Übersetzung ist hundertprozentig richtig.«
»Fahren Sie fort.«
»Zweitens hat er uns ein Datum genannt – den Zweiten dieses Monats. Drittens eine Ortsangabe.«
Hicks schaute ihn erwartungsvoll an. Hughes rieb sich die Stirn und blickte auf seine Unterlagen. »Ich gehe die drei Mitteilungen der Reihe nach durch. Zunächst die Offensive. Sobald die Abteilung Spionage die Übersetzung vorliegen hatte, wurde ich von Cliff Masters beauftragt, sofort sämtliche militärischen Aktivitäten innerhalb der GUS zu überprüfen und festzustellen, ob erhöhte Alarmbereitschaft besteht. Außerdem habe ich mich bei NORAD im Cheyenne Mountain nach unserem derzeitigen DEFCON-Status erkundigt, und ich habe bei den Nachrichtendiensten unserer Verbündeten nachgefragt, vor allem in Europa.«
»Damit sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft sein«, sagte Hicks. »Offenbar ist nichts dabei heraus-gekommen, sonst hätte ich etwas erfahren.«
»Ja«, erwiderte Hughes. »Wir waren uns zwar bewusst, dass in der RAVEN-Mitteilung ausdrücklich von einer geheimen Offensive die Rede ist. Trotzdem sollte man meinen, dass bei einer Offensive jedweder 156
Art verstärkte militärische Aktivitäten im Gange sind.
Wir haben nichts dergleichen feststellen können. Nun zu Datum und Ortsangabe. An dem genannten Tag, dem Zweiten, passierte allem Anschein nach gar nichts. Die Ortsangabe bezieht sich auf ein Stück Niemandsland hoch oben in der Bolschesemelskaja-Tundra, praktisch an den Ausläufern des Ural gelegen und weitab von allen Gebieten, die von strategischer Bedeutung sind.«
»Kommen Sie zur Sache«, knurrte Hicks.
»Wie schon gesagt, tat sich am Zweiten allem Anschein nach nichts, aber es passierte doch etwas. Unsere seismografischen Aufzeichnungen zeigten, dass an diesem Tag eine Explosion stattfand, und zwar ungefähr in der Gegend, auf die sich die Gradangaben bezogen, die uns RAVEN lieferte.« Hughes warf einen kurzen Blick zu
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