Operation Overkill
Quelle erschlossen hätte.«
»Was hat er gemacht?«, fragte Hicks und runzelte die Stirn. »Niemand hat mir Bescheid gesagt.«
Muldoon schüttelte den Kopf. »Mir auch nicht. John Rigby, der Stationschef, bestand darauf, dass nur ein möglichst kleiner Personenkreis etwas davon erfahren durfte. Außer ihm wussten bis vor zwei Wochen nur der Leiter und der stellvertretende Leiter der Abteilung Aufklärung sowie John von der Abteilung Spionage etwas davon. Selbst dem Direktor teilte man lediglich mit, dass eine neue, hochrangige Quelle gewonnen werden konnte, aber nicht mehr.«
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»Warum?«, fragte Hicks mit ausdrucksloser Miene, während er nach einer Zigarrenkiste griff. »Immerhin«, fügte er hinzu, »ist John mein direkter Untergebener. Wieso wusste er Bescheid, ich aber nicht?«
»Es war die richtige Entscheidung«, erwiderte Muldoon. »Rigby war davon überzeugt, dass es sich bei dieser Quelle um einen ranghohen Mitarbeiter beim GRU oder SWR handeln müsste. Das Material, das er erhielt, war erstklassig und konnte nur aus der obersten Führung oder aus deren unmittelbarer Umgebung stammen. Cliff Masters hat die Mitarbeiter, die etwas davon erfahren durften, persönlich ausgewählt. John musste Bescheid wissen, weil es seinen Aufgabenbereich betrifft.« Muldoon rang sich ein schwaches Lä-
cheln ab. »Wenn Sie deswegen sauer sind, Walter, sollten Sie es lieber mit Cliff austragen, nicht mit John.«
»Wer ist diese Quelle?«, grummelte Hicks.
»Wir wissen es nicht. Besser gesagt, wir wissen es nicht genau, aber unserer Ansicht nach kommt nur ein ganz kleiner Kreis von SWR- oder GRU-Offizieren da-für in Frage.«
»Warum?« fragte Hicks erneut. Er schnitt eine Zigarre an und legte sie in den Aschenbecher. »Wie wurde der Kontakt hergestellt? Durch einen Mittels-mann?«
»Nein. Die Quelle hat sich bei uns gemeldet. Rigby wurde ein nicht entwickelter Mikrofilm zugesteckt, als er im GUM auf Einkaufsbummel war – das ist das staatliche Kaufhaus in–«
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»Ich glaube, wir alle wissen, was das GUM ist, Richard«, warf Hicks ein. Er musterte das angeschnitte-ne Ende der Zigarre und steckte sie in den Mund. Er klopfte seine Taschen ab, stand auf, ging zum Schreibtisch und holte sein Zippo. Dann nahm er wieder Platz, zündete die Zigarre an und blies eine große, blaue Rauchwolke über den Tisch. »Weiter«, befahl er.
Muldoon versuchte die Wolke wegzuwedeln. Er hatte das Rauchen aufgegeben und konnte Tabak-und vor allem Zigarrenqualm nicht ausstehen. Er hustete kurz, ehe er fortfuhr. »Rigby war außer Dienst und sah die Person gar nicht, die ihm den Film über-gab. Er fand ihn in seiner Jackentasche, als er das Kaufhaus verließ – er musste ihm im Vorbeigehen zugesteckt worden sein. Das Entscheidende dabei ist, dass der Informant nicht nur wusste, welchen Rang Rigby bekleidet, was die meisten einfachen SWR- oder GRU-Mitarbeiter ausschließt, sondern dass er ihm den Film völlig unbemerkt zustecken konnte, was wiederum heißt, dass er ein Profi ist, ein Agent mit Erfahrung im Außendienst.«
Hicks dachte einen Moment lang darüber nach.
»Und wann wurde der Film entwickelt?«
»Weihnachten.« Muldoon lächelte. »Vierundzwanzig Fotos, alle gestochen scharf. Zweiundzwanzig stammten von streng geheimen Dokumenten – vierzehn aus dem Kreml, zwei vom GRU und die anderen vom SWR. Die Erkenntnisse, die wir gewannen, wurden innerhalb der Agency weitergeleitet, allerdings nur an einen sehr kleinen Empfängerkreis und ohne 149
jeden Hinweis auf die Quelle. Ohne die persönliche Erlaubnis des Direktors durfte nichts nach draußen gelangen.«
Hicks hob den Finger. »Ich hab’s«, sagte er. »Die Quelle ist AE/RAVEN, richtig?«
»Richtig«, erwiderte Muldoon. Sämtliche Agenten und Operationen der CIA werden mit einer Kombination aus zwei Buchstaben gekennzeichnet, die vor dem Codenamen stehen und das Land angeben, in dem der Einsatz stattfindet – AE steht zum Beispiel für Russland, DI für Tschechien.
»Und die beiden anderen Bilder auf dem Film?«, fragte Hicks. »Was war darauf zu sehen?«
»In erster Linie zeigten sie, dass unser Informant Sinn für Humor hat und dass er einen sehr hohen Rang bekleidet. Auf dem einen Bild war der Konferenzraum im Kreml zu sehen, auf dem anderen das Walnusszimmer – das ist der angrenzende Raum. Die Dokumente waren schon sehr beeindruckend, aber als Rigby die Bilder sah, war er völlig aus dem Häuschen.«
»Yeah«, sagte Hicks. »Das kann ich mir
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