Operation Overkill
vorhatte.
»Guten Morgen, Richard«, sagte sie lächelnd. »Was soll das werden? Eine Meuterei?«
Wider Willen musste Muldoon grinsen. »Noch nicht, Jayne«, sagte er, »aber wir müssen Walter sprechen. Und zwar sofort.«
»Das dürfte nicht so einfach sein«, erwiderte sie stirnrunzelnd. »Er steckt derzeit in einer Konferenzschaltung mit der National Security Agency, die sich noch etwa zehn Minuten hinziehen dürfte, und danach ist er den ganzen Morgen ausgebucht. Wie lange wollen Sie ihn denn sprechen?«
Muldoon schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Aber das dauert mindestens eine Stunde.«
Jayne Taylor musterte erst ihn und dann die Män-144
ner, die hinter ihm standen. Sie kannte die beiden. Ronald Hughes war stellvertretender Direktor der Abteilung Aufklärung – ein unscheinbarer Mann, achtund-fünfzig Jahre alt, der mit seinem zerfurchten Gesicht und den grauen Haaren viel älter aussah. Der ideale Spion, so hatte er immer behauptet, sei jemand, den niemand wahrnahm, und er wirkte wie der lebende Beweis seines Leitsatzes. Jayne nahm an, dass er Muldoon begleitete, weil Cliff Masters, der Direktor und Abteilungsleiter, bis nächste Woche in Wien weilte.
Der Dritte war John Westwood, Leiter der Abteilung Auslandsaufklärung (Spionage). Ein kleiner, eher stiller Mann mit einem roten Gesicht, der ganz und gar nicht wie ein Geheimdienstprofi wirkte, eher wie ein Kaufmann. Die drei Männer waren ungewöhnlich schweigsam und wechselten kaum ein Wort miteinander, was Jayne ausgesprochen beunruhigend fand.
»Das ist wirklich dringend, was?«, fragte sie, worauf Muldoon kurz nickte. »Okay«, sagte sie und schlug ihren Notizkalender auf. Sie überflog die betreffende Seite, dann nickte sie. »Es wird ihm zwar nicht passen«, murmelte sie, »aber William Rush muss ein bisschen warten.« Sie griff zum Telefon, sprach zweimal kurz mit jemandem und blickte dann zu Muldoon auf.
»Dafür werde ich später noch schwer büßen müssen –
hoffentlich war es das wert.«
Rush war Direktor der Abteilung Verwaltung und Dienstleistungen, ein Mann, dem man nachsagte, dass er nicht unbedingt der Geduldigste und ausgesprochen unbeherrscht war.
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»Ganz bestimmt, Jayne. Besten Dank. Sie haben was gut.«
Die drei Männer nahmen Platz und warteten schweigend und in sich gekehrt. Acht Minuten später erloschen die Lämpchen an der Telefonanlage, und über der Tür blinkte das grüne Licht auf. Jayne meldete sich per Gegensprechanlage beim Direktor, dann nickte sie Muldoon zu. Die drei Männer standen auf und gingen in das Büro.
»Walter«, sagte Muldoon, als er auf den Mann zuging, der am Schreibtisch saß, »wir sind da auf eine Sache gestoßen, über die Sie unbedingt Bescheid wissen müssen.«
Walter Hicks, Direktor der Abteilung Einsatzplanung (Geheimdienste) der Central Intelligence Agency, blickte über seinen Schreibtisch hinweg auf die De-legation. Er war gut einen Meter neunzig groß und breitschultrig, hatte schüttere blonde Haare und ein kantiges Gesicht, das stets braun gebrannt war, da er leidenschaftlich gern segelte und an fast jedem Wochenende mindestens einen Tag auf seinem vierzehn Meter langen Katamaran verbrachte, auf den er gelegentlich auch Kollegen einlud. Das Boot, so behauptete er, sei der einzige Ort außerhalb der schalldichten Besprechungsräume in Langley, wo er sagen könne, was er wollte.
»Ich habe das Gefühl«, sagte er kurz darauf, »dass mir die Sache ganz und gar nicht gefällt. In der GUS
sind gestern die Funkgeräte heißgelaufen. Da drüben ist die Kacke schwer am Dampfen, und die NSA hofft, 146
dass wir rausfinden, was da los ist. Ihr habt mir also gerade noch gefehlt.«
Hicks drückte auf eine Taste an seiner Gegensprechanlage und bat Jayne, Kaffee für vier Personen zu bestellen. Dann ging er zu dem Konferenztisch, der vor dem großen, kugelsicheren Panoramafenster stand, ließ sich auf einen Stuhl am Kopfende sinken und winkte die anderen zu sich. »Okay, Richard«, sagte er. »Schießen Sie los.«
Muldoon setzte sich und überflog die Papiere, die er aus seiner Aktentasche gezogen hatte. »Die Sache betrifft uns alle«, sagte er und deutete auf seine Begleiter. »Aber es geht schneller, wenn ich den Vortrag halte. Ronald und John werden mich sicher berichti-gen, falls mir ein Fehler unterlaufen sollte.« Muldoon holte tief Luft und begann mit seinem Bericht. »Vor etwa fünf Monaten meldete der Stationschef in Moskau nach Langley, dass er in Moskau eine hochrangige
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