Operation Sahara
»Wer übernimmt die Wache, du oder ich?«
»Du«, erwiderte Pitt gutgelaunt und zog die kaputte Kette wieder durch die Ösen seiner Fesseln. »Ich täusche sie.«
Eine halbe Stunde später, als das Knirschen von Kies verriet, daß sich der Wachposten näherte, zog Pitt das Anschlußkabel aus der Überwachungskamera. Diesmal bogen zwei Tuaregs um die Ecke. Sie kamen zu beiden Seiten des Schienenstrangs auf sie zu, die Maschinenpistolen im Anschlag. Ihre starren Augen, die hinter dem Schlitz der Litham kaum sichtbar waren, blitzten kalt und unerbittlich.
»Da kommen gleich zwei zu Besuch«, flüsterte Giordino.
»Und die sehen nicht aus, als handle es sich um einen Freundschaftsbesuch.«
Der Wachposten auf der rechten Seite der Schienen kam auf Pitt zu und rammte ihm aus purer Schikane den Lauf der Maschinenpistole in die Rippen. Er erntete nur ein überraschtes Heben der Augenbrauen. Pitt wich zurück und lächelte entwaffnend.
»Schön, daß ihr vorbeikommen konntet.«
Die Überraschung mußte gelingen, bevor die Wachen überhaupt merkten, daß sie angegriffen wurden.
Pitt hatte die Worte kaum ausgesprochen, als er mit der Linken nach der Waffe griff, den Lauf zur Seite schob und ungeheuer treffsicher den Felsbrocken warf. Der Stein traf die Stirn des Wachpostens und setzte ihn sofort außer Gefecht. Der Mann taumelte nach hinten und brach über den Gleisen zusammen.
Einige Sekunden starrte der zweite Wachposten ungläubig auf seinen zu Boden gegangenen Kameraden. Noch nie war in Tebezza eine Wache von einem Sklaven angegriffen worden, und daß ge nau dies im Augenblick geschah, verblüffte ihn.
Dann begriff er, daß er sich in einer lebensgefährlichen Situation befand und hob die Waffe, um zu feuern.
Pitt tauchte unter der Mündung weg, warf sich zur Seite und angelte verzweifelt nach der Waffe des zusammengebrochenen Mannes. Aus dem Augenwinkel sah er das flüchtige Schimmern einer Kette, die von hinten wie das Springseil eines Kindes über den Kopf des Tuareg geschwungen wurde. Dann zog Giordino die beiden Enden straff wie eine Garotte. Seine Kraft hob den Mann von den Füßen, die Beine strampelten in der Luft. Die Maschinenpistole fiel klappernd auf die Gleise, als die Hände des Wachpostens wild nach der Kette griffen, die sich in seinen Hals schnitt.
Als das Treten sich in schwaches Zucken verwandelte, ließ Giordino die Kette los, und der Wachposten ging neben seinem ohnmächtigen Kameraden zu Boden. Dann schnappte Giordino sich die Waffe und richtete die Mündung auf den Stolleneingang.
»Wie rücksichtsvoll von uns, sie nicht umzubringen«, murmelte er.
»Nur eine Galgenfrist«, erwiderte Pitt. »Wenn Malika mit den beiden fertig ist, weil sie uns entkommen ließen, dann arbeiten sie Seite an Seite mit denen, die sie vorher geschlagen und gequält haben.«
»Wir können die Typen nicht hier rumliegen lassen, wo sie gefunden werden könnten.«
»Schmeiß sie in eine der leeren Loren und pack Steine drüber.
Die wachen in den nächsten zwei Stunden kaum auf. Dann dürften wir uns schon auf unserer Fahrt quer durch die Wüste befinden.«
»Vorausgesetzt, man beeilt sich nicht mit der Reparatur der Kamera.«
Während Giordino sich daran machte, die Wachposten beiseite zu schaffen, warf Pitt einen Blick auf die Zeichnung der Mine, die er von Fairweather erhalten hatte. Er hätte nie im Leben den Weg zurück zum Privataufzug der Ingenieure gefunden – nicht bei den vielen Stollen, die sich in alle Himmelsrichtungen verzweigten.
Giordino beendete seine Aufgabe, hob die Maschinenpistolen auf und musterte sie mit prüfendem Blick. »5.56-Millimeter, Plastik und Fiberglas, Standardmodell der französischen Armee.
Nette, kleine Waffe.«
»Keine Schießereien, wenn’s geht«, bat Pitt. »Wir müssen vorsichtig sein, damit Melika so spät wie möglich merkt, daß wir abgehauen sind.«
Als sie aus dem Stollen, in dem sie gearbeitet hatten, heraustraten, durchquerten sie geradewegs den Hauptstollen und verschwanden in einem Zugang auf der gegenüberliegenden Seite. Sie achteten sorgsam darauf, den von Fairweather eingezeichneten Überwachungskameras auszuweichen, und erreichten 50 Meter weiter den nächsten Stollen, ohne einer Menschenseele begegnet zu sein.
Niemand rief sie an, niemand griff sie an. Beim ersten Teil ihrer Flucht blieben sie unbehelligt.
Sie folgten den Bahngleisen, über die sie vom Aufzug aus in die Mine transportiert worden waren. An den Abzweigungen blieben sie stehen,
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