Operation Sahara
legte sich den Wachposten lässig über die Schulter und wuchtete ihn dann über die hintere Klappe auf die Ladefläche des ersten Lastwagens. Pitt stieg währenddessen ein und warf einen prüfenden Blick auf die Armaturen. Einen Zündschlüssel gab es nicht, die Zündung wurde ohne Schlüssel betätigt. Der Tank war, wie Fairweather es vorhergesehen hatte, voll. Er schaltete die Zündung ein und drückte auf den Anlasserknopf. Der Motor sprang sofort an.
»Gibt’s eine Uhr am Armaturenbrett?« fragte Giordino.
Pitt schüttelte den Kopf. »Das hier ist ein billiges Modell, ohne jede Zusatzausstattung. Weshalb?«
»Diese verdammten Tuaregs haben mir die Uhr abgenommen.
Mir ist jedes Zeitgefühl abhanden gekommen.«
Pitt zog einen Stiefel aus und zog seine Doxa-Taucheruhr aus ihrem Versteck im Absatz hervor. Er schob sie sich übers Handgelenk und hielt sie Giordino hin. »Zwanzig nach eins, nachts.«
»Es geht doch nichts über einen Aufbruch in aller Frühe.«
Pitt legte den ersten Gang ein, ließ die Kupplung kommen und lenkte den Lastwagen in den Ausgangstunnel. Er fuhr gerade so schnell, daß die Leerlaufdrehzahl kaum überschritten wurde und das Auspuffgeräusch niemanden mißtrauisch machte.
Die Wände waren so nah, daß sie fast die Seiten des Lastwagens berührten. Pitt konnten Kratzer im Lack zwar völlig egal sein, seine größte Sorge aber war, Geräusche zu erzeugen, die möglicherweise Aufmerksamkeit erregt hätten. Als sie ins Freie gelangten und durch die enge Schlucht fuhren, schaltete er hoch, gab Vollgas und knipste die Scheinwerfer an. Der Renault schoß heftig holpernd durch die Landschaft und zog eine wirbelnde Staubwolke hinter sich her.
Während der Hinfahrt hatte Pitt sich, als er den Lastwagen auf festeren Untergrund schieben mußte, die Landmarken in der Nähe eingeprägt, so daß er mit dem Lastwagen ohne Schwierigkeiten über das Felsplateau donnern und wegen der schnellen Fahrt auch nicht steckenbleiben konnte.
Er registrierte nicht den Duft der Freiheit, ebenso wenig die kalte Wüstenluft, und er verschwendete auch keinen Blick auf die Sterne am Himmel. Jeder Kilometer, den sie zwischen sich und die Verfolger legten, zählte; jede Minute war kostbar. Pitt fuhr wie der Teufel, holte alles aus dem Lastwagen heraus.
Giordino beschwerte sich nicht und bat ihn auch nicht, langsamer zu fahren. Er setzte grenzenloses Vertrauen in ihn, stemmte die Füße gegen das Armaturenbrett, klammerte sich mit den Händen am Sitz fest und biß während der holprigen Fahrt die Zähne zusammen. Seine Augen verfolgten die kaum sichtbaren Reifenspuren, die im Dunkel der hohen, steilen Felswände der Schlucht vor ihnen auftauchten.
Plötzlich, als der Lastwagen in die Wüste hinausschoß, tat sich ödes Flachland auf. Erst jetzt warf Pitt einen Blick zum Himmel und suchte den Nordstern, um sich daran zu orientieren. Sie fuhren nun nach Osten.
Den Punkt, an dem eine Rückkehr noch möglich gewesen wäre, hatten sie überschritten. Die Chancen, daß ihr selbstmörderischer Versuch gelingen könnte, waren so gering, daß ein Versagen unausweichlich schien. Doch eine andere Entscheidung wäre für Pitt undenkbar gewesen. Sie konnten nicht anhalten, bis sie eine Wasserquelle erreichten oder gerettet wurden.
Vor ihnen lagen 400 Kilometer Wüste, einladend, unheilvoll, tödlich. Der Kampf ums Überleben hatte begonnen.
39
Während der nächsten fünf Stunden, in denen es noch dunkel war, fuhr Pitt mit dem Lastwagen durch die ehrfurchtgebietende Sandwüste, in der die Zeit nur wenig Bedeutung hat. Dies war wirklich eine Gegend, die keinerlei Kompromisse kannte. Man zitterte in der kalten Morgenluft, mußte wegen des feinen Sandes husten und wurde schließlich von der Sonne regelrecht gebraten. Pitt hatte das Gefühl, eine Welt betreten zu haben, die nicht zu seinem Universum gehörte.
Sie fuhren durch einen Teil der Sahara, der unter dem Namen Tanezrouft bekannt ist, große, ausgedehnte Wüstenflächen, beinahe 200000 Quadratkilometer umfassend, unterbrochen nur von vereinzelten zerklüfteten Hängen und gelegentlich von einem Sandmeer.
Das war die Wüste in Reinkultur, in der überhaupt nichts wuchs.
Leben gab es dennoch. Motten tanzten im Licht der Scheinwerfer. Ein Paar Raben, die Totengräber der Wüste und gleichzeitig ihre Putzkolonne, wurden vom heranfahrenden Lastwagen gestört, schwangen sich in die Luft und gaben dabei ihrer Verärgerung lautstark Ausdruck. Große schwarze Käfer flohen über
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