Operation Sahara
Windrichtung zu bestimmen.
Der Wind blies aus Nordwest.
Der entscheidende Augenblick war gekommen. Pitt warf einen Blick auf Giordino, der eine schwache Handbewegung machte und in rauhem Flüsterton sagte: »Ablegen.«
Pitt stemmte sich gegen das Heck und schob das Fahrzeug an, bis es langsam über den Sand rollte.
Nach ein paar stolpernden Schritten ließ er sich auf den hinteren Sitz fallen. Der Wind fiel leewärts, über seine linke Schulter, ein. Er gab etwas Leine und zog die Pinne an, um zu halsen. Jetzt lief der Strandsegler vor dem Wind. Während der Wind immer stärker ins Segel einfiel, fierte er auf, und die
Kitty Mannock
bewegte sich aus eigener Kraft. Ihre Geschwindigkeit nahm schnell zu, als Pitt das Segel noch mehr auffierte. Nach einem schnellen Blick auf den Flugzeugkompaß ging er dann auf einen neuen Kurs. Erschöpfung und Aufregung schienen seine scheinbar verkrusteten Arterien gleichzeitig zu durchfluten. Er trimmte den Strandsegler, der bald über den ausgetrockneten See schoß. Die Räder wirbelten Staubfahnen auf, und sie fuhren in absoluter Stille mit fast 60 Kilometern in der Stunde dahin.
In seiner Jugend, in Newport Beach, Kalifornien, hatte Pitt kleine Boote gesegelt, doch nie mit einer derartigen Geschwindigkeit. Während er vor dem Wind, der im Winkel von 45 Grad einfiel, dahinschoß, nahm er mit Hilfe der Leinen und kleiner Steuerkorrekturen an dem riesigen Segel die Feintrimmung vor. Ein schneller Blick auf seinen Kompaß verriet ihm, daß die nächste Halse nach Osten fällig war.
Jetzt, da er zunehmend sicherer wurde, mußte er sich zusammennehmen, um den schmalen Grat zwischen der Kontrolle über den Segler und einem Unfall nicht zu überschreiten. Eigentlich wollte er keine Rücksicht nehmen, doch die Vernunft warnte ihn, daß die
Kitty Mannock
nicht zu den stabilsten Strandseglern zählte und nur von 80 Jahre alten Kabeln und Schrauben zusammengehalten wurde.
Er lehnte sich zurück und beobachtete aufmerksam die kleinen Staubfahnen, die über den flachen Boden des Sees fegten. Ein plötzlicher Windstoß oder eine einfallende Bö, und sie würden umschlagen und die Reise niemals fortsetzen können. Pitt wußte nur zu gut, daß sie auf Glück angewiesen waren. Eine Schlucht, die man nicht sah oder zu spät entdeckte, oder ein Felsbrocken, der ein Rad abriß – die gnadenlose Wüste mochte unzählige Katastrophen für sie bereithalten.
Nach einer halben Stunde suchte er mit schmerzenden Augen die eintönige Landschaft nach irgend etwas Auffälligem ab. Pitt machte sich Sorgen, daß sie über die Trans-Sahara-Straße hinwegbrausen könnten, ohne es zu merken. Eine Möglichkeit, die durchaus bestand, denn es handelte sich lediglich um eine von Norden nach Süden verlaufende Sandpiste. Wenn er die verpaßte, würden sie sich tatsächlich in der Unendlichkeit der Wüste verlieren.
Er konnte keine Fahrzeuge entdecken, und die Landschaft ging langsam wieder in Dünen über. Er rätselte, ob sie die Grenze nach Algerien bereits überschritten hatten. Längst waren die großen Karawanen, die früher einmal Gold, Ebenholz und Sklaven zwischen dem fruchtbaren Tal des Niger und dem Mittelmeer hin- und hertransportiert hatten, ohne Spuren zu hinterlassen, verschwunden.
Statt dessen rollten ein paar Touristenautos, Lastwagen mit Ersatzteilen und Versorgungsgütern und gelegentlich eine Militärpatrouille durch die gottverlassene Gegend.
Wenn Pitt geahnt hätte, daß es die auf Karten fein säuberlich eingezeichnete rote Linie in Wirklichkeit gar nicht gab, daß sie nur in der Einbildung der Kartographen existierte, wäre er außerordentlich deprimiert gewesen. Wenn sie Glück hatten, würden sie auf zerstreute Tierknochen, einzelne, ausgeschlachtete Fahrzeuge und Reifenspuren, die noch nicht vom Sand verweht worden waren, treffen, die einzig sicheren Anhaltspunkte. Zusätzlich gab es noch alte Ölfässer, die in einem Abstand von vier Kilometern aufgestellt waren immer vorausgesetzt, vorbeikommende Nomaden hatten sie nicht geklaut, um sie wiederzuverwenden oder in Gao zu verhökern.
Endlich entdeckte er rechts am Horizont einen von Menschenhand hergestellten Gegenstand, der sich als dunkler Fleck in den schimmernden Hitzewellen abzeichnete. Die Luft war klar und transparent wie Glas. Als sie näher kamen sahen sie, daß es sich um die Überbleibsel eines VW-Busses handelte.
Jedes Teil, das nicht zur Karosserie oder zum Rahmen gehörte, war ausgebaut. Nur die bloße Hülle war noch
Weitere Kostenlose Bücher