Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
alten Stadtmauern, über die sich die vergoldeten Zwiebeltürme der lutherischen Kirche erhoben, die seit dem fünfzehnten Jahrhundert stand und viele Besetzer hatte kommen und untergehen sehen.
Irgendwo da draußen mußten der Mann und diese Frau stecken. Es war einfach albern. Bei so vielen Straßensperren hätte irgend etwas herauskommen müssen.
Er dachte an den Hauptmann und dessen junge Frau am Ostturm. Der Mann hatte etwas Merkwürdiges an sich gehabt, das Lukin nicht aus dem Kopf ging. Er war sicher, das Gesicht dieses Mannes schon einmal gesehen zu haben. Aber woher kannte er ihn?
Die Frau des Hauptmanns war zwar attraktiv, aber keineswegs hübsch. Das Make-up hatte ihr Gesicht eher unansehnlich gemacht. Vielleicht mit Absicht? Der Hauptmann hatte behauptet, sie wären auf ihrer Hochzeitsreise. Also hätte seine junge Frau glücklich sein müssen. Sie hatte aber nicht glücklich ausgesehen, sondern eher verängstigt. Oder spielte ihm seine Einbildung einen Streich?
Der Mann hatte kein Anzeichen von Angst gezeigt. Eherhatte er einen verwirrten Eindruck gemacht. Lukin wurde einfach nicht schlau aus dem Burschen.
Die Frage nach dem Geburtsdatum seiner Frau hatte seine Einschätzung beeinflußt, wenn auch nur geringfügig. Er hatte einmal in Kiew ein deutsches Agentenpaar erwischt, die ebenfalls als Frau und Mann gereist waren. Ein Ehemann erinnert sich stets an den Geburtstag seiner Frau, und der Deutsche hatte zu lange gezögert. Schließlich war er geflohen und erwischt worden. Aber dieser Hauptmann hatte das Datum gewußt.
Dennoch war das Paar ein Grenzfall, und Lukin hätte ihre Geschichte überprüfen sollen. Die Intervention des Oberst, daß er das Paar persönlich kannte, hatte letztlich den Ausschlag gegeben.
Vor allem das Gesicht des Mannes hatte Lukin beunruhigt. Er war sicher, daß er ihn von irgendwoher kannte. Etwas an seiner Erscheinung war ihm seltsam vertraut vorgekommen. Aber er war zu besorgt und angespannt gewesen. Die Erinnerung funktioniert am besten, wenn man ruhig und konzentriert ist, nicht in Aufregung, wenn einem alles mögliche durch den Kopf geht. Es würde ihm sicher wieder einfallen, wo er den Mann schon einmal gesehen hatte. Aber im Moment konnte Lukin sich beim besten Willen nicht erinnern.
Pascha hatte recht. Es war üblich, dem Ermittler Zugang zu allen Informationen zu geben, die einen Fall betrafen.
Das Foto der Frau zeigte sie ohne Make-up. Ihr Haar war kurzgeschoren und ihr Gesicht ausgemergelt. Die dunklen Schatten unter ihren Augen waren nicht zu übersehen. Sie waren auf Verzweiflung oder einen Mangel an Schlaf zurückzuführen. Oder auf beides.
Lukin versuchte sich vorzustellen, wie die Frau mit längerem Haar und geschminkt aussah, und wenn ihr Gesicht ein bißchen voller war. Doch es gelang ihm nicht. Eine Frau konnte ihre Erscheinungsbild mit geschickt aufgetragener Schminke fast vollkommen verändern. Trotzdem: Irgendeine Ahnung sagte dem Major, daß hier etwas nicht stimmte. Und an den Kontrollpunkten hatte man kein weiteres verdächtiges Paar gefunden.
Er nahm den Hörer ab und wählte Kamans Nummer.
»Hier Lukin. Ich möchte, daß Sie sofort Hauptmann Oleg Petrowski überprüfen. Finden Sie heraus, ob er bei der vierzehnten Panzerdivision in Leningrad dient. Lassen Sie sich zu seinem unmittelbaren Vorgesetzten durchstellen oder zu dem Mann, der als nächster Vorgesetzter in Frage kommt. Ich will Informationen aus seiner Personalakte. Herkunft, Eheschließung und so weiter. Und lassen Sie sich bestätigen, ob die Division ein Wintermanöver in Nowgorod plant. Sie sollen mich anrufen.«
»Wer ist dieser Petrowski?« wollte Kaman wissen.
»Führen Sie meinen Befehl aus. Und dann rufen Sie den örtlichen Luftwaffenkommandeur an und lassen einen Hubschrauber bereitstellen, falls ich ihn brauche. Wenn der Mann Schwierigkeiten macht, stellen Sie ihn zu mir durch. Und überprüfen Sie, wo ein KGB-Oberst namens Sinow in Tallinn übernachtet hat.«
Lukin legte auf. Er hatte noch genug Zeit, den Emka aufzuhalten, bevor er Leningrad erreichte. Die Fahrt dauerte fünf Stunden, also blieben Lukin noch gute drei Stunden für die Verfolgung.
Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war neun Uhr früh.
Mit etwas Glück würde das Divisionshauptquartier in Leningrad innerhalb von zehn Minuten Rückmeldung erstatten.
SECHSTER TEIL
27. FEBRUAR 1953
9.15 BIS 18.30 UHR
36. KAPITEL
Estland
27. Februar
Sie nahmen die Hauptverkehrsstraße nach Kivioli und bogen dann
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