Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
eines alten Hauses aus der Zarenzeit, dessen Wohnungen zu Gemeinschaftsquartieren umgebaut worden waren. In der kleinen Küche schnitt der Mann ein paar Scheiben grobkörniges Brot ab und füllte Teller mit Haferbrei und Fleisch.
Seine Gäste rührten das Essen nicht an, tranken aber den Wodka.
»Wo liegt das Problem?« fragte Slanski schließlich.
Der Mann lächelte grimmig, während er sich eine Zigarette anzündete. »Alles, was Sie mir erzählt haben, stinkt geradezu nach Schwierigkeiten. Sie sind beide am Arsch, oder ich will nicht mehr Wladimir Rikow heißen.« Er warf Anna einen kurzen Blick zu und stieß gleichgültig den Rauch aus, während er seinen Gästen die Schachtel Zigaretten hinschob. »Leider kann ich es nicht anders ausdrücken, meine Teure.«
Slanski nahm eine Zigarette, als er plötzlich im Nachbarzimmer ein Pärchen streiten hörte. Sie schrien sich aus voller Kehle an, verfluchten sich, knallten die Türen und brüllten herum. Irgend jemand schrie, und dann hörte es sich an, alswürde jemand geschlagen. »Nimm die Pfoten weg, du dreckiges Schwein!«
Wladimir schaute kurz zur Tür und lächelte zynisch. »Ja, ja, die Liebe. Wo wären wir nur ohne sie? Die Russen streiten sich nun mal gern und werfen sich Gegenstände an den Kopf. Was sie sich bei den Behörden verkneifen müssen, lassen sie zu Hause ungehemmt heraus.« Er deutete mit einem Nicken zur Tür. »Machen Sie sich über die beiden keine Gedanken. Das geht Tag und Nacht so. Gleich wird eine Tür zuknallen, der Mann wird seine Frau als ›Miststück‹ beschimpfen, abhauen und sich vollaufen lassen.«
Im gleichen Augenblick schlug eine Tür zu, eine männliche Stimme brüllte: »Miststück!«, und schwere Schritte entfernten sich über den Flur die Treppe hinunter.
Wladimir lachte. »Sehen Sie? Wenn nur auf alles im Leben soviel Verlaß wäre wie auf meine Nachbarn.«
»Sie wollten uns verraten, wieso wir in Schwierigkeiten stecken«, erinnerte ihn Slanski.
Der Mann zog an seiner Zigarette. »Aus zwei Gründen. Erstens: Nach dem, was Sie mir erzählt haben, dürften der KGB und die Miliz bereits nach Ihnen suchen. Zweitens: Ganz gleich, für welche Route Sie sich entscheiden – sie wird schwierig.«
»Wir können verschwinden, wenn Sie sich Sorgen machen«, bot Slanski an. »Wir wissen allerdings nicht, wohin wir gehen sollen.«
Wladimir schüttelte fatalistisch den Kopf. »Machen Sie sich um mich keine Gedanken. Der Krieg hat alle meine Probleme gelöst. Meine Frau und meine Familie sind umgekommen. Ich bin als einziger übrig geblieben. Worüber sollte ich mir groß den Kopf zerbrechen?« Er stand auf und griff nach der Wodkaflasche. »Sollen die Schweine mich doch erschießen, wenn sie wollen.«
Er schenkte sich nach, während Slanski sich nun ebenfalls erhob und zum Fenster ging. Er blickte auf den kleinen Hof hinunter, von dem ein Weg durch einen Bogengang zur Straße führte. An einer Wand am Ende des Hofs befand sich eine Reihe von Holztüren mit Vorhängeschlössern. Offenbar handelte es sich um Vorratsräume für die winzigen Wohnungen.Der Hof starrte vor Abfall und wurde von einer ganzen Schar magerer, hungriger Katzen belagert.
Slanski hatte den Vorfall mit dem KGB-Major Lukin erwähnt. Er hatte sich dazu verpflichtet gefühlt, weil alles, was von nun an geschah, ihre Weiterreise beeinflussen und möglicherweise auch Wladimir gefährden konnte. Doch den Ukrainer hatte diese Nachricht sonderbarerweise kalt gelassen.
»Wir müssen uns irgendwie nach Moskau durchschlagen«, sagte Slanski und trat vom Fenster zurück.
Wladimir drückte die Zigarette aus, brach ein Stück Brot ab und kaute. Er spülte es mit einem Schluck Wodka hinunter und wischte sich den Mund ab.
»Leichter gesagt als getan. Es gibt den Roten-Stern-Expreß. Der Zug fährt nachts von Leningrad nach Moskau und braucht zwölf Stunden. Aber ich vermute, daß die Bahnhöfe beobachtet werden. Fliegen wäre natürlich am schnellsten. Die Aeroflot fliegt alle zwei Stunden Moskau an. Aber man kommt nur schwer an Tickets und muß meistens mehrere Tage warten, und das auch nur, wenn man Glück hat. Außerdem werden KGB und Miliz den Flughafen scharf bewachen, ebenso die Bahnhöfe. Sie könnten natürlich einen Wagen stehlen und fahren, aber das dauert anderthalb Tage, einschließlich der Pausen. Außerdem gehen Sie ein unnötiges Risiko ein, wenn Sie mit einem gestohlenen Wagen an einem Kontrollpunkt erwischt werden.«
»Und was ist mit den
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