Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
Lastwagen bog um die Kurve und fuhr aus dem Schneetreiben auf ihn zu.
Lukin stolperte zur Mitte der Fahrbahn und winkte mit seiner Waffe.
39. KAPITEL
Leningrad
Es war kurz nach vier und schon dunkel, als Wladimir aus der Küche trat und Anna ein Päckchen in die Hand drückte. Es war in braunes Packpapier eingewickelt.
»Ein bißchen zu essen für die Reise. Es ist nicht viel. Nur Brot, Käse und etwas Wodka. Aber es sollte eure Mägen eine Zeitlang füllen und euch vor der Kälte schützen.«
»Danke.« Anna nahm das Päckchen, und Slanski trat vom Fenster zurück.
Wladimir reichte ihm einen zusammengerollten Lederbeutel, dicke wollene Handschuhe, einen uralten Helm und einen verschlissenen schwarzen Mantel, der stank, als hätte ein Hund darauf geschlafen.
»Der Mantel riecht zwar wie eingeschlafene Füße, aber er wird Sie auf dem Motorrad warm halten. Ich hab’ leider keine anderen Sachen, die dick genug wären, um die Kälte abzuhalten. In dem Beutel sind ein paar Werkzeuge für einfache Reparaturen. Aber wenn Sie einen Platten kriegen, sieht’s schlecht aus. Schließlich gib’s keinen Reservereifen.«
»Ist genug Sprit im Tank?«
»Der Tank ist voll.« Wladimir reichte Slanski ein paar Wertmarken. »Wenn Sie tanken, werden Sie die brauchen. Aber nach Einbruch der Dunkelheit ist es nicht mehr so einfach, eine Tankstelle zu finden. Vor allem nicht auf entlegenen Landstraßen. Die Tankfüllung reicht für vierhundert Kilometer, wenn Sie nicht rasen. Und in einer der Satteltaschen ist ein voller Kanister, der noch einmal zweihundert Kilometer reicht. Das müßte für die Strecke eigentlich genügen. Leider habe ich nur einen Helm und eine Schutzbrille für den Fahrer. Setzen Sie die Brille bloß auf. Sonst schneidet der eisige Wind Ihnen die Augäpfel aus den Höhlen, sobald Sie schneller fahren.«
Slanski überprüfte noch einmal seine und Annas Papiere und schaute dann unruhig auf die Uhr. »Wie lange müssen wir noch warten, bis wir aufbrechen können?«
Wladimir warf einen Blick aus dem Fenster und kratzte sich das Kinn.
»Eine Stunde müßte reichen. Dann dürfte der Verkehr dicht genug sein.« Er breitete noch einmal die Karte auf dem Tisch aus. »Bis dahin können wir ja noch mal die Route durchgehen.«
»Was wollen Sie?«
Lukin stand vor dem Schreibtisch des Oberst, dessen Gesicht knallrot angelaufen war. »Ich will jeden verfügbaren Mann, den Sie haben. Sämtliche Bahnhöfe, Busse und Metrostationen sowie der Flughafen müssen kontrolliert werden. Wir müssen jeden Passagier eingehend überprüfen. Und jedes Hotelregister in der Stadt muß durchgesehen und die Identität der Gäste bestätigt werden. Und das ist erst der Anfang. Da kommt noch mehr, das versichere ich Ihnen.«
»Sie sind völlig übergeschnappt, Genosse!«
»Soll ich den Minister für Staatssicherheit anrufen, damit Sie das Genosse Berija persönlich sagen können?«
Das Gesicht des Oberst lief noch dunkler an. »Das dürfte kaum nötig sein.«
»Das glaube ich auch«, erwiderte Lukin. »Sie haben meineBeglaubigung gesehen. Tun Sie sich den Gefallen, und gehorchen Sie den Befehlen.«
Er steckte den Brief wieder in die Tasche, während der Oberst sich erhob und resigniert seufzte. Er sah aus, als hätte er Lukin am liebsten verprügelt.
Der Oberst war ein großer, stämmiger Mann mit kurzem, rostrotem Haar. Sie befanden sich in seinem großen Büro im sechsten Stock des roten Backsteingebäudes am Liteini-Prospekt in Leningrad, in dem das KGB-Hauptquartier untergebracht war. Durch das breite Panoramafenster, hinter dem draußen Schneeflocken wirbelten, sah man schemenhaft die erleuchtete Stadt.
An den Wänden hingen gerahmte Fotos. Eines zeigte einen lächelnden Berija. Die anderen waren persönlicher Natur und in Berlin, Warschau und Wien aufgenommen worden: Gruppenbilder von lächelnden Soldaten, die in den Ruinen von Schlachtfeldern standen. Lukin erkannte auf sämtlichen Fotos den Oberst, der die Hände in die Hüften gestützt hatte und Kinn und Brust prahlerisch vorstreckte.
Neben dem Tisch des Oberst stand sein Adjutant, ein junger Hauptmann in Uniform.
»Sie verlangen sehr viel von uns, Major«, bemerkte der Adjutant. »Wir haben bereits die Militärpatrouillen wegen des Wagens alarmiert. Haben Sie eine Ahnung vom Umfang der Operation, die Sie verlangen?«
Lukin nickte. »Allerdings. Und ich weiß auch, daß Genosse Berija Ihren Kopf fordern wird, wenn Sie mir nicht jede erdenkliche Hilfe gewähren.«
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