Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
hat versucht, uns zu töten, und du verteidigst ihn noch!«
»Lukin hat es mir möglich gemacht, Sascha zu sehen.«
Slanski sah ihr schmerzerfülltes Gesicht und setzte sein Glas ab. »Erzähl mir davon.«
Anna berichtete ihm alles, was geschehen war, seit sie sich im Wald aus den Augen verloren hatten.
Als sie geendet hatte, sagte Slanski: »Also deshalb warst du in seinem Wagen. Hör zu, Anna, es gibt nur einen Grund, daß Lukin dir erlaubt hat, deine Tochter zu sehen. Um dich zum Reden zu bringen.«
»Ich konnte ihm nichts sagen, was ihm geholfen hätte, dich zu finden. Und das wußte Lukin, bevor er mich zu Sascha brachte. So wie er heute abend hätte jeder Mann in seiner Lage gehandelt, der seine Frau liebt. Lukin glaubt, daß sie für sein Versagen mit bestraft wird. Er mußte einfach versuchen, dich aufzuhalten.«
»Hör mir zu, Anna. Lukin ist genauso wie all die anderen Mistkerle vom KGB. Er hat versucht, dich mit einer rührseligen Geschichte einzuwickeln, und gehofft, daß du darauf hereinfällst, was ja auch geschehen ist. Du hättest mich nicht daran hindern sollen, ihn zu erschießen, solange ich die Chance hatte.« Er schüttelte den Kopf. »Er hat ein Spielchen mit dir gespielt, Anna. Und damit erreicht, daß du ihm vertraust. Und selbst, wenn er sein Angebot ernst gemeint hat, dich vor dem Erschießungskommando zu retten: Was wäre das für ein Leben für deine Tochter, eingesperrt in einem Lager?«
Er sah, wie Anna versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Er streckte die Hand aus und streichelte ihr Gesicht.
»Wenn ich etwas tun könnte, um Sascha aus dem Waisenhaus zu holen, würde ich es tun. Aber es ist zu spät, und es ist zu gefährlich. Selbst wenn ich wüßte, wo sie sich aufhält, können wir davon ausgehen, daß Lukin sie nach dem heutigen Abend scharf bewachen läßt. Ich kann das Risiko nicht eingehen,sie zu retten. Es würde die Pläne gefährden, deretwegen ich hier bin. Und wir sind schon zu weit gekommen, um das zu riskieren.«
Anna wandte sich mit gequälter Miene ab. Slanski wollte sie noch einmal streicheln, doch sie stieß seine Hand weg. Er sah die Tränen in ihren Augen.
»Ich kann jetzt nicht aufgeben, Anna. Ich bin zu dicht vor dem Ziel. Und wenn Lukin glaubt, daß ich erledigt bin, habe ich noch eine Überraschung für ihn parat.«
Er lächelte, doch seine Augen blieben hart. »Es ist zu spät, Anna. Irina wird dich zu einem Bahnhof fahren, sobald es hell wird. Da ist ein Güterzug, der nach Finnland fährt, und ihr beide werdet in diesem Zug sein. Ein Mann namens Lebel wird sich um euch kümmern. Irina wird dir alles erzählen, wenn es soweit ist. Es tut mir wirklich leid um Sascha.«
Er blickte ihr ins Gesicht, und sie wußte, daß er es ernst meinte. Dann ging er zur Küchentür.
»Wohin willst du?«
»Ein bißchen frische Luft schnappen. Du möchtest vielleicht allein sein.«
Als er die Tür öffnete, sagte Anna: »Du weißt, daß du so gut wie tot bist, wenn du in Moskau bleibst?«
Slanski schlug den Kragen hoch. »Wie man so sagt: Die Saat von allem, was wir tun, ist von Anfang an in uns eingepflanzt. Vielleicht ist das mein Schicksal. Ich pflege zu beenden, was ich angefangen habe. Und jetzt hält mich niemand mehr auf. Keiner. Und Lukin schon gar nicht.«
Damit drehte er sich um und ging hinaus.
Der Mann war mit seinem Lieferwagen die Hälfte der unbeleuchteten Straße abgefahren und parkte jetzt unter einem Baum. Die Straße war verlassen, und die Datschen auf beiden Seiten lagen im Dunkeln.
Der Mann holte einen Feldstecher unter dem Beifahrersitz hervor und stieg aus.
Er brauchte fast zehn Minuten, um in der Finsternis das gesuchte Haus zu finden. Fünf Minuten später hatte er einenWeg um das Grundstück herum gefunden und kam auf der Rückseite unter einigen Bäumen zum Vorschein. Er sah das gelbliche Licht einer Öllampe hinter den zugezogenen Fenstern und lächelte.
Dann machte der Mann es sich unter den kalten Bäumen bequem. Der Feldstecher nützte in der Dunkelheit nur wenig, und er schaute immer wieder zur Datscha, um seine Augen an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Er ließ die Vorhänge nicht aus den Augen, falls dahinter eine Bewegung zu sehen war.
Plötzlich wurde die Hintertür geöffnet. In dem hellen Licht trat eine Gestalt auf die Terrasse und schloß die Tür hinter sich.
Der Mann setzte den Feldstecher an die Augen. Doch es war zu dunkel, um das Gesicht der Person deutlich zu erkennen. Plötzlich flammte in der Dunkelheit
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