Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
ganz gut tun. Wie fühlst du dich?«
»Es könnte schlimmer sein. Die Wirkung des Morphiums, das der Arzt mir gegeben hat, läßt nach. Aber hier kann ich mich entspannen.«
Er hörte auf, sich abzureiben, erhob sich und ging zu einem Heißwasser-Hahn in der Ecke. Dann füllte er ein Emaillebecken mit heißem Wasser und warf eine Handvoll Minzblätter hinein. Er trat vor Lukin, umfaßte dessen Gesicht mit der Hand und musterte ihn mit einem eigenartig forschenden Blick, als wäre er Arzt. Schließlich reichte er ihm das Becken und einen frischen Schwamm.
»Dein Adrenalin strömt wie der Schweiß. Hier, mach dich naß und inhaliere den Dampf. Du weißt ja, was wir alten Badegänger sagen: ›Das Dampfbad läßt dich schwitzen und macht dich hart und dünn, es säubert den Körper von den Teufeln darin.‹« Er grinste über diesen alten MoskauerSpruch; dann wurde er wieder ernst. »Du siehst aus, als hättest du den Teufel in der Seele, Juri.«
Lukin hob das Becken hoch und inhalierte. Das Aroma des heißen, duftenden Wassers wirkte wie ein Beruhigungsmittel. Er tauchte einen Schwamm in das dampfende Becken, schloß die Augen und fuhr dann mit dem Schwamm langsam über sein Gesicht. Der Duft der Minze stieg ihm in die Nase, und die wohlriechende Flüssigkeit linderte das Brennen auf seiner Haut. Er hörte zu wischen auf, öffnete die Augen und sah, daß Pascha ihn anstarrte.
»Hilft die Minze?«
»Ein bißchen. Erzähl mir, was das soll. Was ist so wichtig?«
Pascha stand auf und nahm seine Aktentasche. Mit einem Nicken deutete er auf die Tür zum Umkleideraum. »Komm mit, ich muß dir etwas zeigen.«
Als sie in den Umkleideraum traten, schloß Pascha die Tür auf. Er ging zu der Holzbank, öffnete die Aktentasche, nahm einen roten Aktenordner heraus und schaute Lukin wieder an.
»Ist dir an dem Wolf irgend etwas merkwürdig vorgekommen?«
Lukin runzelte die Stirn. »Was verstehst du unter merkwürdig?«
»Erstens wissen wir, daß einige Seiten in unserem Exemplar seiner Akte fehlen. Wie ich schon sagte, ist es üblich, daß der Ermittler Zugang zu allen Informationen des Falles bekommt, an dem er gerade arbeitet.«
»Worauf willst du hinaus, Pascha?«
»Ich kenne dich schon lange, Juri«, erwiderte Pascha zögernd. »Ich mag dich und habe dich immer bewundert. Wir haben gute und schlechte Zeiten miteinander durchlebt.«
»Willst du mir jetzt endlich sagen, was du vorhast?« fragte Lukin mit einem Anflug von Zorn.
Pascha ließ den Blick lange über Lukins Gesicht schweifen, bevor er antwortete: »Du hattest recht, Berija nicht zu trauen. Und du hast dich auch zu Recht gefragt, warum er ausgerechnet dich ausgesucht hat. Heute abend habe ich den Grund dafür herausgefunden.«
»Ich verstehe nicht …«
»Du bist ein guter Mensch, Juri Lukin. Und ein guter Ermittler. Aber sie haben dich zum Narren gehalten.«
»Wer?«
»Stalin und Berija.«
Lukin schwieg verwirrt.
Pascha setzte sich neben ihn auf die Bank. Er wandte einen Moment den Blick ab und schaute dann wieder Lukin an.
Lukin sah Angst in Paschas Gesicht. Der Mongole zögerte nicht, weil er es ihm nicht sagen wollte; er schien wirklich Angst zu haben. Als er Lukin den Ordner reichte, zitterten ihm die Hände.
»Ich möchte, daß du dir das ansiehst.«
»Was ist das?«
»Es stammt aus Slanskis Originalakte.«
»Pascha, du bist ein Narr.«
»Belehr mich nicht, Juri. Wir sind in einer verzweifelten Lage und befinden uns in einer Sackgasse. Also bin ich ins Archiv gegangen, habe einen Schlüssel gestohlen und einen Blick in die Originalakte geworfen. Ich wurde zwar von einem der Angestellten gesehen, der hereingekommen ist, aber erst, nachdem ich die Akte an mich genommen hatte.«
»Pascha …«
»Hör mir zu. Wenn sie mich erwischen, macht das auch keinen Unterschied mehr. Für uns beide kann es nicht schlimmer kommen. Wir stecken bis zum Hals in der Scheiße. Und ich kann nur einmal gehenkt werden. Ob für ein oder zwei Vergehen ist egal.«
»Pascha, du hast dich in ziemliche Gefahr gebracht.«
»Sie ist nicht größer als die Gefahr, in der ich schon stecke.« Pascha zögerte. »Juri, in dieser Akte befindet sich etwas, das man dir absichtlich vorenthalten hat. Und da ist noch mehr, aber erst solltest du dir ansehen, was ich dir gegeben habe.«
Pascha stand auf, ging zur Tür und öffnete sie leise. Er schaute mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck zu Lukin zurück.
»Ich laß dich jetzt allein, Juri. Lies die Akte sorgfältig
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