Operation Zombie
vierzehn Stunden täglich Gemüse auf unseren ehemaligen staatlichen Zuckerrohrplantagen anbauen mussten. Wenigstens das Klima war auf ihrer Seite.
Die Temperatur fiel, der Himmel verfinsterte sich. Mut ter Natur meinte es gut mit ihnen. Die Wachen indessen nicht. »Seid froh, dass ihr noch lebt«, riefen sie nach jedem Schlag oder Tritt. »Wenn ihr euch weiter beschwert, werfen wir euch den Zombies zum Fraß vor!« In jedem Lager kursierten Gerüchte über die gefürchteten »Zombiegruben«, das Loch, in das sie Unruhestifter warfen. Das ZGD [das zentrale Geheimdienstdirektorat] hatte sogar Gefangene in der normalen Bevölkerung untergebracht, die erzählten, sie hätten mit eigenen Augen gesehen, wie Männer mit den Köpfen voraus in die brodelnden Seen der Ghule hinuntergelassen worden wären. Das diente alles dazu, jeden auf Linie zu halten, wissen Sie, nichts davon entsprach der Wahrheit... aber ... es kursierten Geschichten über die »Miami-Weißen«. Die Mehrzahl der amerikanischen Kubanos wurde mit offenen Armen empfangen. Ich selbst hatte Verwandte in Daytona, die gerade noch mit dem Leben davonkamen. Mit den Tränen der Wiedersehensfreude hätte man in jenen frühen Tagen das gesamte Karibische Meer füllen können. Aber die erste Welle der postrevolutionären Emigranten - die wohlhabende Elite, der es unter dem alten Regime gut ergangen war und die den Rest ihres Lebens versucht hatte, all das wieder zunichtezumachen, was wir uns so hart erarbeitet hatten - was diese Aristokraten anging ... Ich will nicht sagen, dass es Beweise dafür gibt, dass diese fetten reaktionären, Bacardisaufenden Ärsche den Ghulen vorgeworfen wurden ... Aber falls doch, können sie jetzt Batista in der Hölle die Eier lecken.
[Ein dünnes, zufriedenes Lächeln huscht über seine Lippen.]
Natürlich hätten wir diese Form der Bestrafung niemals wirklich bei Ihrem Volk anwenden können. Gerüchte und Drohungen waren eines, aber sie wirklich in die Tat umzusetzen ... treibt man es mit einem Volk, ganz egal, welchem, so weit, dann riskiert man eine Revolution. Fünf Millionen Yankees, die sich erhoben und den Aufstand probten? Undenkbar. Es waren auch so schon zu viele Soldaten erforderlich, um die Lager zu bewachen, und das machte den Erfolg der Yankee-Invasion Kubas aus.
Wir hatten einfach nicht genügend Leute, um fünf Millionen Flüchtlinge und fast viertausend Kilometer Küste zu bewachen. Wir konnten keinen Zweifrontenkrieg führen. Aus diesem Grund traf man die Entscheidung, dass die Lager aufgegeben werden und zehn Prozent der Yankee-Flüchtlinge außerhalb der Stacheldrahtzäune an speziellen Freigängerprogrammen arbeiten sollten. Diese Flüchtlinge sollten alle Jobs übernehmen, die die Kubaner nicht mehr machen wollten - Tagelöhner, Tellerwäscher und Straßenfeger und das alles für so gut wie nichts als Lohn, aber ihre Arbeitsstunden sollten auf ein Punktesystem angerechnet werden, mit dem sie anderen Häftlingen die Freiheit erkaufen konnten. Das war eine schlichtweg geniale Idee - ein Kubano aus Florida war darauf gekommen -, und die Lager waren binnen sechs Monaten wie leer gefegt. Zuerst versuchte die Regierung, alle im Auge zu behalten, aber das erwies sich ziemlich schnell als unmöglich. Innerhalb eines Jahres waren fast alle »Nortecubanos« integriert und jeder Facette unserer Gesellschaft angepasst. Offiziell waren die Lager geschaffen worden, um eine Ausbreitung der »Infektion« zu verhindern, aber nicht die Art von Infektion, die die Toten übertrugen. Zuerst konnte man die Auswirkungen dieser Infektion nicht bemerken, da wir immer noch belagert wurden. Alles spielte sich noch hinter verschlossenen Türen und ausschließlich im Flüsterton ab. Im Laufe der folgenden Jahre kam es dann aber nicht so sehr zu einer Revolution, sondern mehr zu einer Evolution, einer ökonomischen Reform hier, einer legalisierten Zeitung im Privatbesitz da. Die Leute dachten offener und redeten offener. Langsam und leise ging die Saat auf. Ich bin sicher, Fidel hätte nichts lieber getan, als unsere aufkeimende Freiheit mit eiserner Faust zu ersticken. Vielleicht wäre es auch dazu gekommen, wenn sich die weltweite Situation nicht zu unseren Gunsten entwickelt hätte. Als die Regierungen der Welt beschlossen, zum Angriff überzugehen, änderte sich alles unumkehrbar. Mit einem Mal wurden wir das »Arsenal des Sieges«. Wir waren der Brotkorb, das Fabrikationszentrum, das Übungsgelände und das
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