Operation Zombie
zwischen den Zähnen hatte, fiel herunter, als sein Unterkiefer herunter klappte. Er knurrte, er sprang. Ich versuchte, ihm auszuweichen. Er packte mich am Handgelenk. Ich hörte ein Knacken, Schmerzen schossen durch meinen ganzen Körper. Ich ließ mich auf die Knie niedersinken und versuchte, mich ab zurollen und ihn dabei wenn möglich zu Fall zu bringen. Ich ertastete mit der Hand einen schweren Kochtopf. Ich packte ihn und schwang ihn, so fest ich konnte. Er knallte ihm ins Gesicht. Ich schlug wieder und wieder nach ihm, zertrümmerte ihm den Schädel, bis der Knochen aufbrach und das Hirn auf meine Füße lief. Er sackte in sich zusammen. Ich befreite mich, als gerade ein anderer von ihnen im Eingang auftauchte. Diesmal gereichte mir die baufällige Konstruktion der Hütte zum Vorteil. Ich kickte die Rückwand auf, sprang hinaus und brachte dabei den gesamten Schuppen zum Einsturz. Ich rannte los, hatte aber keine Ahnung, wohin. Ich befand mich in einem vorüberziehenden Alptraum von Hütten und Feuer und Händen, die mich packen wollten. Ich rannte durch einen Verschlag, wo sich eine Frau in der Ecke versteckte. Ihre beiden Kinder drängten sich weinend an sie. »Kommen Sie mit!«, sagte ich. »Bitte, kommen Sie mit mir, wir müssen hier weg!« Ich streckte die Hände aus und ging näher zu ihr. Sie zog die Kinder zurück und zückte einen gespitzten Schraubenzieher. Ihre Augen blickten groß und ängstlich. Ich konnte Geräusche hinter mir hören ... sie zertrümmerten die Hütten oder warfen sie ganz einfach um, während sie vorrückten. Ich wechselte von Xhosa zu Englisch. »Bitte«, flehte ich sie an, »Sie müssen fliehen!« Ich wollte ihr hochhelfen, aber sie stach mir in die Hand. Ich ließ sie liegen. Ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte. Mitunter sehe sie bis auf den heutigen Tag im Gedächtnis vor mir, wenn ich schlafe oder die Augen schließe. Manchmal ist sie meine Mutter, die weinenden Kinder meine Schwestern. Vor mir erblickte ich ein grelles Licht, das zwischen den Ritzen der baufälligen Hütten durchschien. Ich lief, so schnell ich konnte. Ich versuchte, ihnen etwas zuzurufen. Aber ich war ganz außer Atem. Ich brach durch die Wand eines offenen Verschlags und befand mich plötzlich auf offenem Gelände. Die Scheinwerfer strahlten blendend grell. Ich spürte, wie mich etwas an der Schulter traf. Ich glaube, ich war weggetreten, noch bevor ich auf dem Boden aufschlug. Ich kam in einem Bett im Groote Schuur Hospital wieder zu mir. Ich hatte noch nie so ein Klinikum gesehen. Alles war so sauber und weiß. Ich dachte, ich wäre tot. Ich bin sicher, dafür waren auch die Medikamente mit verantwortlich. Vorher hatte ich nie Drogen genommen, nie auch nur einen Tropfen Alkohol angerührt. Ich wollte nicht enden wie so viele in meinem Viertel, wie mein Vater. Mein ganzes Leben hatte ich dafür gekämpft, clean zu bleiben, und jetzt... Das Morphium, oder was auch immer sie mir in die Adern pumpten, war köstlich. Nichts betrübte mich. Mir war gleichgültig, als sie mir sagten, dass mir die Polizei in die Schulter geschossen hatte. Ich sah, wie der Mann im Bett neben mir hecktisch hinausgerollt wurde, als er aufgehört hatte zu atmen. Mir war sogar gleichgültig, als ich sie von einem Ausbruch der Tollwut« reden hörte.
Wer sprach davon?
Ich weiß es nicht. Wie ich schon sagte, ich war vollkommen zugedröhnt. Ich erinnere mich nur an die Stimmen auf dem Flur vor meiner Station, laute Stimmen in einem wütenden Streitgespräch. »Das war doch keine Tollwut!«, brüllte eine davon. Tollwut macht nicht so etwas aus Menschen!« Dann ... etwas anderes ... und dann: »Und was zum Teufel schlagen Sie dann vor? Wir haben fünfzehn gleich hier unten! Wer weiß, wie viele sich noch da draußen herumtreiben!« Komisch, über dieses Gespräch muss ich andauernd nachdenken, was ich hätte denken, empfinden, tun müssen. Es dauerte ziemlich lange, bis ich wieder nüchtern wurde, bis ich aufwachte und dem Alptraum ins Auge sehen musste.
Tel Aviv, Israel
[Jürgen Warmbrunn hat eine Leidenschaft für äthiopisches Essen, und genau aus diesem Grund treffen wir uns in einem Falasha-Restaurant. Mit seiner hellen, rosigen Haut und den weißen, buschigen Brauen, die ausgezeichnet zu seiner »Einstein-Frisur« passen, könnte man ihn gut und gern für einen verrückten Wissenschaftler oder Universitätsprofessor halten. Beides ist er nicht. Er gibt zwar niemals offen zu, bei welchem israelischen Geheimdienst
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