Operation Zombie
und eine Stelle bei einer privaten Beraterfirma in Bethesda, Maryland, angenommen. Als ich ihn bei sich zu Hause besuchte, stellte ich erschrocken fest, dass er nicht nur am selben Projekt arbeitete, natürlich in seiner Freizeit, sondern dass seine Akte fast ebenso umfangreich und schwer war wie meine. Wir saßen die ganze Nacht wach und lasen durch, was der andere herausgefunden hatte. Keiner sagte ein Wort, ich glaube, wir nahmen nichts um uns herum zur Kenntnis, weder den anderen noch die Welt, außer den Worten vor unseren Augen. Wir waren beide fast gleichzeitig fertig, als der Himmel im Osten gerade hell wurde. Paul blätterte die letzte Seite um, dann sah er mich an und sagte betont sachlich: »Das ist ziemlich übel, was?« Ich nickte, er ebenfalls, dann hakte er nach. »Also, was sollen wir deswegen unternehmen?«
Und so wurde der »Warmbrunn-Knight«-Report geschrieben.
Ich wünschte, die Leute würden ihn nicht mehr so nennen. Es standen noch fünfzehn weitere Namen in diesem Bericht: Virologen, Geheimagenten, Militärstrategen, Journalisten, sogar ein Beobachter der UN, der die Wahlen in Jakarta überwacht hatte, als es zum ersten Ausbruch in Indonesien kam. Jeder ein Experte auf seinem Fachgebiet, und alle waren zu denselben Schlussfolgerungen gekommen, noch ehe wir uns mit ihnen in Verbindung setzten. Unser Bericht umfasste knapp hundert Seiten. Er war knapp, er war verständlich, und wir glaubten, dass er dafür sorgen würde, dass dieser Ausbruch niemals die Ausmaße einer Epidemie annahm. Ich weiß, ein Großteil der Schuld wurde auf die südafrikanischen Kriegspläne zurückgeführt, und das mit Recht, aber wenn mehr Leute unseren Bericht gelesen und mit dazu beigetragen hätten, seine Empfehlungen zu beherzigen, dann hätte dieser Plan niemals auch nur in Erwägung gezogen werden müssen.
Aber manche Leute haben Ihren Bericht gelesen und beherzigt. Ihre eigene Regierung...
Aber auch nur gerade so, und sehen Sie sich an, welchen Preis wir bezahlen mussten.
Bethlehem, Palästina
[Mit seinem verwegenen Aussehen und dem polierten Charme könnte Saladin Kader gut und gern ein Filmstar sein. Er ist freundlich, aber nie kumpelhaft, selbstbewusst, aber nie arrogant. Er ist Professor für Stadtplanung an der Khalil-Gibran-Universität und natürlich der Schwarm all seiner Studentinnen. Wir sitzen unter der Statue des Namenspatrons der Universität. Die polierte Bronze funkelt in der Sonne, wie alles andere in einer der wohlhabendsten Städte des Nahen Ostens.]
Ich bin in der Stadt Kuwait geboren und aufgewachsen. Meine Familie gehörte zu den »glücklichen«, die nach 1991, als Arafat sich an der Seite von Saddam gegen die ganze Welt stellte, nicht vertrieben wurden. Wir waren nicht reich, aber auch nicht mittellos. Ich wuchs sorgenfrei, sogar behütet auf, könnte man sagen, und das merkte man meinem ganzen Tun an.
Ich verfolgte die Sendungen von Al Dschasira hinter dem Tresen des Starbucks, wo ich jeden Nachmittag nach der Schule arbeitete. Es war zur Stoßzeit, der Laden brechend voll. Sie hätten den Aufruhr hören sollen, die Rufe, das Gebrüll. Ich bin sicher, unser Lärmpegel entsprach dem im Saal Ihrer Vollversammlung. Natürlich hielten wir es für eine zionistische Lüge, wer nicht? Als der israelische Botschafter vor der Vollversammlung der UN verkündete, dass sein Land eine »freiwillige Quarantäne« zur Politik erheben würde, was sollte ich da denken? Sollte ich wirklich die irrwitzige Geschichte glauben, dass es sich bei der afrikanischen Tollwut tatsächlich um eine neue Seuche handelte, die aus Toten blutrünstige Kannibalen machte? Wie kann man so einen Unsinn glauben, besonders wenn er vom verhasstesten Feind kommt, den man hat? Ich hörte mir den zweiten Teil der Rede des fetten Dreckskerls nicht einmal mehr an, den Teil, dass jedem im Ausland geborenen Juden, jedem Ausländer israelischstämmiger Eltern, jedem Palästinenser, der in den ehemaligen besetzten Gebieten lebte, und jedem Palästinenser, der einmal innerhalb der Grenzen des Staates Israel gelebt hatte, Zuflucht gewährt werden würde, ohne Fragen. Letzteres traf auf meine Familie zu, Flüchtlinge des zionistischen Aggressionskrieges von 1967. Auf Geheiß der Anführer der PLO waren wir aus unseren Dörfern geflohen und glaubten, wir könnten bald zurückkehren, wenn unsere ägyptischen und syrischen Brüder die Juden ins Meer getrieben hätten. Ich war nie in Israel gewesen oder dem, was im neuen Staat
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