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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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besten, Du vergißt das schnell.«
    Er bestellte für mich ein Glas Champagner.
    »Alle guten Dinge beginnen mit einem Mißgeschick«, sagte er.
    Als mein Glas kam, prostete er mir zu.
    »Auf unseren Abend.«
    »Und auf Deine Jugendliebe«, sagte ich und ärgerte mich im nächsten Moment darüber. Aber er schien mir gar nicht zugehört zu haben. Immer noch war er um meine Laune besorgt.
    »Habe ich Dir eigentlich schon erzählt«, sagte er, »daß ich in Berlin ausgeraubt wurde?«
    »Du bist ausgeraubt worden?«
    »Ja, im letzten Sommer. Vor der Gedächtniskirche. Ich habe Fahrradartisten zugesehen. Es war erstaunlich, was die konnten. Handstand auf dem Fahrrad, oder nur mit dem Vorderrad fahren. Da kamen zwei Mädchen auf mich zu, nicht älter als zehn Jahre. Sie zeigten mir ein Stück grauen Karton, auf dem stand mit vielen Rechtschreibfehlern, daß sie mit ihrer Mutter gerade erst aus Rumänien gekommen seien und nichts hätten. Die Mutter sei auch noch krank geworden. Ich nahm die Geldbörse aus dem Sakko und wollte sie gerade öffnen, da griffen sie danach und liefen davon. Es war eine Menge Geld drinnen, auch die Scheck- und Kreditkarten. Das alles wiederzubeschaffen ist eine öde Prozedur. Das Geld war natürlich weg. Jetzt weiß ich, daß es wieder eine echte Kinderkriminalität gibt. Wie 1945 hier in Wien. Da bin ich zuletzt von Kindern ausgeraubt worden.«
    Herbert war es gelungen, den Mantel reinigen zu lassen. Um acht Uhr wurde er uns aufs Zimmer gebracht. Mein Vater rief an und lud uns auf einen Aperitif aus der Minibar zu sich ins Zimmer. Er war festlich gekleidet, mit seinen alten goldenen Manschettenknöpfen am Hemd. Die Krücken hatte er weggeräumt.
    »Ich danke Euch, daß Ihr meine Einladung doch noch angenommen habt«, sagte er. Vom Karlsplatz her hörten wir immer wieder die Martinshörner von Polizeiautos. Ich öffnete das Fenster. In der Bösendorferstraße standen, vom Musikverein bis zum Künstlerhaus, mindestens zwanzig Mannschaftswagen der Polizei in zweiter Spur aufgereiht.
    »Wir sollten lieber gleich gehen«, sagte mein Vater, »damit wir in keinen Tumult kommen.«
    Auf der Ringstraße gingen wir durch ein Spalier von Polizisten zur Oper. Es war gespenstisch. Mein Vater ging, eingehängt in unsere Arme, in der Mitte. Wir waren langsam unterwegs und schauten uns die Gesichter der Polizisten an. Die meisten waren sehr jung. Manche grüßten uns. Mir fiel auf, daß viele Schnauzbärte trugen. Die meisten blickten ernst drein. Und sie standen auffällig breitbeinig da. Selten einer, der mit seinem Nachbarn sprach. Aber wir wußten nicht, wovor sie uns beschützten. Weit und breit war kein Störenfried zu sehen. Nur vom Karlsplatz hörte man immer noch Martinshörner. Dieses Großaufgebot an Polizei machte uns angst, es vermittelte das Gefühl einer versteckten Bedrohung. Aber wo war sie? Von wem ging sie aus?
    Als wir die Kärntner Straße erreichten, wurden wir angewiesen, nicht durch die Passage, sondern über die Ringstraße zur Oper hinüberzugehen. Alle paar Minuten wurde der Verkehr angehalten, um die Opernballgäste über die Straße zu leiten. Zum Karlsplatz hin war die Kärntner Straße gänzlich abgeriegelt. Man sah hohe Sperrgitter, einen Wasserwerfer und eine Menge Polizeiautos.
    »Das ist ja hier wie im Krieg«, sagte mein Vater zu einem Polizisten.
    »Keine Angst«, antwortete der. »Es wird alles friedlich sein, wir müssen nur vorbeugen.«
    Ein paar Minuten später hielt ich die Damenspende in der Hand. Es war ein geflochtener Korb, dessen Inhalt ich untersuchte, während wir uns bei der Garderobe anstellten. Er enthielt Dutzende Parfumfläschchen, kulinarische Kostproben, Zigaretten, ein Lesezeichen aus Leder, ein Fläschchen Champagner. Obenauf lag ein Biedermeiersträußchen. Mit Ausnahme des Lesezeichens und der Zigaretten war alles in Miniaturausführung. Die Herren bekamen Jetons fürs Spielcasino, einen in schwarzes Leder gebundenen Taschenkalender und ebenfalls Zigaretten, wenngleich stärkere. Die Eingangshalle war vollgestellt mit Kameras. Egal, wohin man schaute, überall wurde man von Scheinwerfern geblendet. Als mir Herbert den Mantel abnahm, schien es mir, als wäre ich zum bevorzugten Objekt der Kameras geworden. Herbert sagte: »Funktioniert. Auffällig und schamlos.«
    An der breiten Feststiege staute es sich. Jetzt erst hatte ich mich so weit an die vielen Scheinwerfer gewöhnt, daß ich einen Blick bekam für die vielen Lüster und Kandelaber, für die

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