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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Obststeige.«
    Ich atmete tief ein und ließ, während ich die Gedärme aus dem Bauch löste, die Luft langsam ausströmen. Bevor ich den Mastdarm und die Speiseröhre durchschnitt, mußte ich noch einmal Luft holen gehen. Ich riß Lunge, Herz und Leber heraus und warf Putzlappen in die Bauchhöhle, um die dort angesammelte Flüssigkeit aufzusaugen. Danach brauchte ich ein Bier. Ich zog die Handschuhe aus und stellte mich zum Ausgang. Aber selbst dorthin verfolgte mich der Kuttelgeruch. Ich sollte ihn so schnell nicht loswerden. Mehrere Tage roch ich Feilböcks Eingeweide.
    Die anderen begannen, den Rumpf zu zerhacken. Es sollte kein größerer Knochen übrigbleiben. Später half ich mit. Am schwierigsten war die Zerkleinerung der Oberschenkel und des Beckens. Wir kamen ins Schwitzen. Aber die Hemmungen waren verschwunden. Wild hieben wir auf die Fleischstücke ein. Keines konnte uns klein genug sein. Der Blade sagte: »Jetzt wird Gulasch gemacht.«
    Darauf der Polier: »Original Rappottensteiner Kellergulasch von einer eigenhändig erlegten Sau.«
    Am Schluß war Feilböck in kleine Stücke zerhackt. Wir trugen die Obststeigen in den Schuppen und bedeckten sie mit Stroh und Reisig. Dann gossen wir aus dem Reservekanister für die Motorsäge Treibstoffgemisch darüber.
    Während wir die Hackbretter und das Werkzeug reinigten, kamen Pandabär und der Lange. Der Polier erklärte ihnen, was geschehen war. Pandabär begann zu schwitzen.
    Er wollte unbedingt in eine Obststeige hineinschauen. Vielleicht glaubte er es nicht. Er hob das benzingetränkte Stroh in die Höhe, erwischte jedoch zufällig die Steige mit den Kopfteilen. Feilböcks Auge starrte heraus. Pandabär ging zu Boden. Sein Gesicht war bleich geworden. Ich legte ein paar Holzscheite unter seine Füße und brachte ihm den restlichen Pfefferminztee.
    Es war schon acht Uhr abends. Das Sonnwendfeuer war für zehn Uhr angekündigt. Wir mußten uns beeilen. Auf die Wiese hinter dem Hof legten wir, wie bei früheren Sonnwendfeuern und an derselben, noch sichtbaren Stelle, einen Kreis aus Steinen. Er hatte einen Durchmesser von etwa vier Metern.
    Wir trugen die Obststeigen hinaus und schichteten sie in der Mitte des Kreises auf. Rundherum stellten wir jede Menge Holzscheite auf. Obwohl noch sichtlich mitgenommen, beteiligte sich am Schluß auch Pandabär. Wir warfen die Hackbretter über die Steigen und darüber so viele Holzscheite, bis der Haufen zwei Meter hoch war. In die Fugen steckten wir Reisig und entzündeten das Ganze um etwa halb zehn an mehreren Stellen gleichzeitig. Es dauerte nicht lange, da war das Feuer weithin sichtbar. Schon bald strömten die Dorfbewohner herbei. Sie trugen Picknickkörbe und Getränke. Einer kam mit dem Traktor. Auf dem Anhänger standen Bierkisten und eine Dezimalwaage. Auch die Tradition des Feuerspringens sollte wiederaufgenommen werden.
    Der Geringste hatte seine Haare hochgebunden und einen Hut aufgesetzt. Die Leute boten ihm Bier an. Er lehnte ab. Salzstangerl mit Wurst nahm er dankbar an. Eine Hauptschullehrerin begann sich mit ihm in Englisch zu unterhalten. Ich weiß nicht genau, was er ihr erzählte. Irgend etwas von Irland und von vielen Feuern, die dort brennen. Aber er zog sich aus jedem Gespräch bald zurück. Bis in die späten Nachtstunden spürte ich den süßlichen Geruch von Feilböcks verbrennendem Fleisch. Niemandem fiel das auf.
    Um Mitternacht wagte der erste Feuerspringer sein Glück. Alle rieten ihm ab. Es war viel zu früh. Doch er nahm Anlauf und sprang. Er kam zwar über den Gipfel des Scheiterhaufens, aber er landete in der Glut und erlitt Verbrennungen. Vor Schmerzen lief er im Kreis. Dennoch stellte er sich auf die Dezimalwaage. Aber er hielt es nur kurz aus, dann lief er wieder stöhnend und wimmernd herum. Wir ließen einen Krankenwagen kommen. Pandabär und der Lange legten neue Holzscheite nach. Die sechzig Kilo Bier stellten wir zur allgemeinen Verfügung.
    Um drei Uhr morgens waren nur noch einige betrunkene Burschen da. Sie halfen, soweit es ihr Zustand erlaubte, eifrig mit, Druckebergers Holzstoß zu verkleinern. Der Lange und Pandabär waren beauftragt, das Feuer bis neun Uhr vormittags zu unterhalten. Dann würden sie vom Bladen und vom Polier, die sich in ihre Schlafkammer zurückzogen, abgelöst werden. Der Polier sagte: »Wenn es nötig ist, lasse ich das Feuer das ganze Wochenende brennen.« Es war nicht nötig.
    Ich fuhr mit dem Geringsten noch in der Nacht in Feilböcks Auto nach

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