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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Wien. Bevor er in der Heiligenstädter Straße ausstieg, sagte er: »Wir werden uns jetzt längere Zeit nicht sehen. Harmagedon wird um ein Jahr verschoben. Kauf regelmäßig die Zeitschrift für alles, dort werde ich mich melden. Du weißt ja inzwischen, was ein Akrostichon ist. Nicht vergessen, der zweite Buchstabe gilt.«
    Er umarmte mich und ging fort.
    »Moment«, rief ich ihm nach. Er kam zurück, setzte sich ins Auto und schloß die Tür.
    Ich fragte: »Und was mache ich, wenn ich Dich dringend erreichen muß?«
    »Im Notfall«, antwortete er, »aber nur im äußersten Notfall, nimmst Du mit Steven McAlpine in Dallas Kontakt auf. Und Du fragst nach der Nummer von Pastor Butler aus Idaho. Pastor Butler, das kannst Du Dir leicht merken.«
    Er stieg aus und ging die Heiligenstädter Straße hinauf, Richtung Nußdorf. Ich sah ihm eine Zeitlang durch den Rückspiegel nach, dann fuhr ich nach Hernals. In der Nähe von Feilböcks Haus war ein freier Parkplatz. Dort stellte ich sein Auto ab. Mit einem Taschentuch wischte ich Lenkrad, Armaturen und Türgriffe ab. Den Zündschlüssel ließ ich später durch ein Kanalgitter fallen. Es dämmerte schon der Morgen. Eigentlich wollte ich zu Fuß nach Favoriten gehen. Das hätte mindestens eine Stunde gedauert. Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. So stieg ich am Elterleinplatz in ein Taxi. Der Fahrer sprach nur gebrochen deutsch. Er mußte im Stadtplan nachschauen, bevor er losfuhr. Am Blinkerhebel hing eine Gebetskette, auf der vorderen Ablage lag ein Buch mit arabischen Schriftzeichen. Ich fragte ihn, was das für ein Buch sei. Er sagte: »Der Koran.«
    Ich bat ihn, mir das Buch zu geben. Ich wollte es mir anschauen. Aber er lehnte ab. Er sagte: »Ist heiliges Buch. Nix für Ungläubige.«
    Ich dachte mir, ich sollte jetzt darauf bestehen, daß er mir das Buch gibt, oder aussteigen. Ich sollte ihn ein Arschloch nennen. Aber ich sagte gar nichts mehr. Ich öffnete das Fenster, weil ich die Eingeweide von Feilböck roch. Selbst als ich daheim schon geduscht war und meine Kleider längst in der Waschmaschine hin und her schwappten, blieb mir dieser Geruch in der Nase. Er begleitete mich ins Bett.
     
    Ich wurde wach, weil jemand an der Wohnungstür klingelte. Polizei, war mein erster Gedanke. Ich schaute durch den Türspion. Da standen tatsächlich zwei Polizisten. Sie hatten nicht unten an der Haustür geklingelt, sondern sich durch Nachbarn Eintritt verschafft. Ich überlegte, ob ich irgend etwas beiseite räumen sollte. Mir fiel nichts ein. Sie klingelten wieder.
    Ich hatte die Ehre, Reso Dorf persönlich kennenzulernen. Er schlich durch meine Mansarde, als könnte jeder Einrichtungsgegenstand der entscheidende Hinweis sein. Er war in Zivil, begleitet von zwei Polizisten in Uniform.
    »Wo ist Feilböck?« fragte er.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich. »Ich wollte ihn vor ein paar Tagen anrufen, weil wir gestern ein Sonnwendfeuer gemacht haben. Aber er war nicht da. Ich habe dann seine Mutter angerufen. Die hat mich beschimpft und mir gesagt, daß er schon vierzehn Tage weg ist. Ich habe mich gar nicht zu sagen getraut, warum ich anrufe.«
    »Und wo ist Joe?« fragte er dann.
    »Wissen Sie es?« fragte ich zurück. »Ich habe schon zwei Jahre nichts von ihm gehört.«
    »Ist das nicht merkwürdig«, sagte er, »daß von eurer Gruppe nach und nach die Leute verschwinden?«
    Ich sagte: »Unsere Gruppe? Was soll das sein? Es gibt sie nicht. Sie wurde verboten.«
    »Ihr habt Zuwachs bekommen.«
    »Wie meinen Sie das?« fragte ich.
    Reso Dorf fuhr mich an: »Stell dich nicht so blöd. Wir wissen alles.«
    »Dann müssen Sie mich ja nicht fragen«, sagte ich.
    Er nahm mich an der Pyjamajacke und zog mich zu sich. Aber er hielt den Kopf beiseite, wahrscheinlich weil ich aus dem Mund stank.
    »Wer ist der Mann?« fragte er und drehte dabei die Pyjamajacke ein, bis sie meine Brust einschnürte.
    »Von wem reden Sie?« antwortete ich.
    Da rückte er damit raus, daß sie das Sonnwendfeuer beobachtet hatten. Das war mir nicht neu. Leitner hatte es dem Geringsten angekündigt. Aber wir waren nicht sicher, ob sie wirklich da waren, weil wir sie nicht sahen.
    Ich hatte vermutet, sie würden sich unter die Leute mischen.
    »Ach den meinen Sie«, sagte ich. »Der kommt aus Irland. Ich habe ihn vor ein paar Tagen zufällig am Würstelstand kennengelernt. Er spricht kaum deutsch und trinkt keinen Alkohol. Nicht einmal Bier. George heißt er. Mehr weiß ich nicht über ihn.

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