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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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bewegungslos und in Decken gehüllt. Er starrte auf die in den Lehmboden eingegrabene Kerze. Als wir nähertraten, begannen mir die Füße zu zittern. Ich sah, daß Feilböck der Schwanz fehlte. Er hatte ihn im Mund stecken. In der Brust waren zwei dunkel umrandete Einschußlöcher, ein weiteres war zwischen den Augen.
    Der Geringste sagte etwas. Aber es war nur ein trübes Glucksen zu hören. Ich beugte mich zu ihm hinab. Am Boden lagen abgebrannte Kerzenstummel. Der Geringste versuchte es noch einmal. Er brachte die Worte kaum heraus.
    »Ihr müßt Feilböck verzeihen«, sagte er.
    Nach einer stillen Ewigkeit legte ich die Hand auf seinen Rücken und fragte: »Wie lange bist Du schon hier?«
    Er antwortete mit großer Anstrengung: »Drei Tage habe ich Totenwache gehalten.«
    »Du mußt etwas zu Dir nehmen«, sagte ich. »Komm, ich helfe Dir.«
    Ich griff ihm unter den Arm. Er hatte Mühe, aufzustehen. Von seinem Schoß fiel die Pistole herab. Der Polier steckte sie ein.
    Wir brachten den Geringsten in die Küche und setzten ihn auf eine Autobusbank. Ich kochte ihm Tee.
    Der Geringste sagte: »Wir müssen Feilböck wieder aufnehmen in unsere Runde.«
    Wir schauten uns verlegen an. Ich ließ kaltes Wasser in die Abwasch und stellte die Teekanne hinein. Der Geringste trank den Pfefferminztee zuerst in kleinen, dann in immer größeren Schlucken. Ich schenkte ihm nach.
    »Wie gehen wir jetzt vor?« fragte der Blade. Er lief nervös in der Küche auf und ab.
    Der Geringste massierte seine Waden. Dann stand er auf und schüttelte seinen Körper. Er sagte: »Vergeßt heute abend keinen Moment: Ich heiße George und komme aus Irland. Ich spreche kaum deutsch. Ihr kennt mich nicht. Der Ingenieur hat mich am Würstelstand angesprochen und hierher eingeladen. Und jetzt trinkt ein Bier. Wir haben unerfreuliche Arbeit vor uns.«
    Wir nahmen aus dem stinkenden Kühlschrank alle Bierflaschen heraus, setzten uns nieder und tranken, während uns der Geringste erklärte, was zu tun war.
    Nachdem jeder eine Flasche getrunken hatte, gingen wir ans Werk. Wir trugen Obststeigen vom Schuppen in die Scheune, wo noch ein alter Strohhaufen lag. Den Boden der Obststeigen bedeckten wir mit Stroh und Reisig. Dann trugen wir sie in den Keller hinab. Der Geringste drehte die Glühbirne in die Fassung. Es gab wieder Licht. Wir suchten im Haus alle Äxte, Spalthämmer, Beile und Fleischermesser zusammen. Der Geringste kam mit zwei Eimern in den Keller. Einer war halb mit Wasser gefüllt, im anderen lagen mehrere Putzlappen und Gummihandschuhe. Während wir mit der Motorsäge Pfosten in meterlange Stücke zerschnitten, fragte der Blade: »Warum zerlegen wir ihn nicht gleich mit der Motorsäge?«
    »Du bist gut«, sagte der Polier. »Dann wäre im Keller alles angespritzt – das kriegst Du nie sauber.«
    Die Pfosten legten wir nebeneinander auf den Boden. Der Geringste zerschnitt Feilböcks Kleider und verteilte sie in den Obststeigen. Wir standen vor der Leiche und zögerten, sie anzugreifen. Da warf uns der Geringste einen Packen roter Gummihandschuhe zu. »Macht Euch nicht dreckig an der Sau«, sagte er.
    »Wie soll ich das verstehen?« fragte der Blade. Er stand immer noch unschlüssig da. »Du hast vorhin gesagt, wir sollen Feilböck wieder aufnehmen.«
    »Feilböck ja«, antwortete der Geringste, »aber nicht seinen widerlichen Körper.«
    Mittlerweile hatte er die Gummihandschuhe angezogen. Er zog der Leiche den Schwanz aus dem Mund und warf ihn in eine Obststeige. Wir nahmen den Leichnam an Händen und Füßen. Er hing durch und streifte am Boden. Über den Brettern ließen wir ihn fallen.
    »Wer ein Bier braucht, soll sich eines nehmen«, sagte der Geringste. Er nahm die große Holzfälleraxt zur Hand und schlug damit der Leiche den Kopf ab. Dann spaltete er den Schädel in mehrere Teile. Die verstreute Gehirnmasse sammelten wir mit einer Schaufel ein und warfen sie, zusammen mit den Schädelteilen, in eine Obststeige. Als der Kopf weg war, fiel mir die Arbeit leichter. Ich schnitt den Bauch auf und zog die Gedärme heraus. Dabei stieg mir ein widerlicher Geruch in die Nase. Ich ging ein paar Schritte zurück, um Luft zu holen.
    »Was machen wir mit den Gedärmen?« fragte ich.
    Wir überlegten einen Moment. »Wenn wir sie zerkleinern und durchs Klo spülen«, sagte der Polier, »könnten sie zumindest in den nächsten paar Wochen in der Senkgrube entdeckt werden. Wickle sie in Zeitungspapier und lege sie ebenfalls in eine

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