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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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tun hatten. Auch die beiden nicht, die sie verurteilt haben!«
    »Der Raffelseder glaubt es auch nicht«, sagte der Wirt. »Sicher, möglich wäre es gewesen, daß sie in der Zwischenzeit nach Wien gefahren sind. Aber ich habe sie danach doch hier sitzen sehen. Wenn einer so etwas gemacht hat, muß er irgendwie nervös sein. Man muß ihm doch etwas anmerken. Die tranken seelenruhig ihr Bier und hatten nichts anderes im Schädel als ihr Lamm.«
    »Das war ein Indizienprozeß«, sagte ich. »Es hat keinen einzigen Zeugen gegeben. Die Wiener wollten Täter haben, und die Geschworenen haben sie ihnen gegeben. Ich bin sicher, daß der Prozeß noch einmal aufgenommen wird.«
    In einem anderen Gasthaus traf ich ein paar Burschen. Einer sagte: »Wir haben schon beschlossen, daß wir nächstes Jahr das Sonnwendfeuer selber machen, wenn ihr uns heuer wieder im Stich laßt.«
    Am späten Nachmittag kamen wir in Rappottenstein an. Im Hof herrschte eine gespenstische Ruhe. Ich rechnete mit allem, auch damit, daß hinter jeder Ecke, in jedem Raum die Polizei auf uns lauern könnte. Wir gingen in den High-Tech-Raum. Dort war alles verwüstet. Die Holzlatten hingen von den Wänden, die Spiegel waren zum Großteil zerbrochen, die Lautsprecherboxen aufgeschlitzt. Die Geräte standen wüst durcheinander. Alle waren aus der Verankerung gerissen, das Cockpit des Autobusses war zerlegt. Selbst die im Boden verankerten Drehstühle waren herausgeschraubt und auf einen Haufen geworfen worden. Aber unseren eingemauerten Safe hatten sie nicht gefunden.
    Verwüstung herrschte auch in den anderen Räumen. Es gab keinen Winkel, der nicht durchsucht worden war. In der Küche roch es penetrant nach gepökeltem Lamm. Der Kühlschrank war noch eingeschaltet. Als der Polier die Tür öffnete, kam ein bestialischer Gestank heraus. Schimmelige Marmelade, ranzige Butter und ein mit einem dicken grünen Pelz zugewachsenes Glas Essiggurken. Im unteren Regal lagen, schön aufgeschichtet, mindestens zwanzig Flaschen Bier.
    Wir gingen zurück in den Hof und durchsuchten die zum Teil schon verfallenen Wirtschaftsräume. Wir hatten nur drei davon benutzt, bei den anderen drohte das Dach einzustürzen. Es waren weitere Ziegel herabgefallen, das Gebälk war an manchen Stellen geknickt, sonst aber hatte sich nichts verändert. Im Schuppen waren Holz und Reisig geschichtet. Da hatte sich Druckeberger zwei Jahre zuvor eine Woche lang abgemüht und uns dann stolz diesen Holzstoß gezeigt. Als wir das Scheunentor öffneten, standen wir vor Feilböcks Auto.
    Wir gingen um das Auto herum. Der Schlüssel steckte im Zündschloß. »Ist da jemand?« fragte der Polier. Keine Antwort. In den mit kniehohen Holzwänden von der Tenne abgetrennten Abteilen lagen noch uralte Heu- und Strohhaufen. Wir schauten uns überall um, aber es war niemand zu finden. Blieb nur noch der Schießkeller. Die Tür war angelehnt. Der Blade wollte das Licht aufdrehen, doch es funktionierte nicht. Wir gingen vorsichtig die schmalen Steinstufen hinab. Feuerzeug hatten wir keines, da wir nicht mehr rauchten. Auf halber Höhe blieben wir stehen.
    »Ist da jemand?« fragte der Polier auch hier. Keine Antwort. Als wir auf der Mitte der Treppe waren, zog mich der Blade am Ärmel.
    »Da ist Licht«, flüsterte er. Je mehr sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnten, desto deutlicher war beim Eingang zum Gewölbe ein schwacher Lichtschein zu erkennen. Der Polier fragte noch einmal: »Ist da jemand? Feilböck, bist Du es?«
    Wieder gab es keine Antwort. Wir horchten. Es war absolute Stille. Ich hielt es für meine Aufgabe, vorauszugehen und die anderen zu schützen. Vorsichtig ging ich Stufe für Stufe hinab. Der wohlbekannte Lehmgeruch wurde stärker. Irgendwo im Raum brannte eine Kerze. Wegen der vielen Bierkisten, die noch immer hinter dem Eingang aufgestapelt waren, konnte ich nicht in den Raum hineinsehen. Ich lugte durch die Aussparungen der Tragegriffe. Niemand schien dazusein. Die Kerze mußte irgendwo am Boden stehen. Mein Herz schlug mittlerweile bis zum Hals. Alles hielt ich für möglich. Vielleicht lagen am Boden ein paar Leute der Spezialeinheit von Reso Dorf mit Maschinenpistolen und würden zu feuern anfangen, sobald ich mich zeigte. Aber was blieb mir übrig?
    Der Polier und der Blade standen hinter mir und warteten, daß ich weiterging. Als ich es tat, packte mich das Entsetzen. Auf dem Lehmboden lag die nackte Leiche von Feilböck. Daneben, auf der Pritsche, saß der Geringste,

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