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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Ich habe ihn am Schwarzenbergplatz aussteigen lassen.«
    »Am Schwarzenbergplatz?« fragte er.
    »Ja, am Schwarzenbergplatz.« Einen Moment dachte ich: Jetzt hat er mich. Die sind mir sicher gefolgt. Bei der Rückfahrt hatte ich immer wieder in den Spiegel geschaut und niemanden gesehen. Reso Dorf ließ meinen Pyjama los. Er blieb ungeduldig.
    »Los, los, flotter bitte. Was macht der Mann, wo wohnt er, wann trefft ihr euch wieder?«
    »Mehr weiß ich nicht«, sagte ich. »Wir haben kein Treffen vereinbart. Ich weiß auch nicht, wo er wohnt.«
    »Ihr werdet euch doch unterhalten haben.«
    »Nicht viel«, antwortete ich. »Ich hatte die Musik laut aufgedreht, damit ich nicht einschlief.«
    »Und bei der Hinfahrt?«
    »Saß ich allein im Auto«, sagte ich. »Daß George wirklich kommt, damit habe ich gar nicht gerechnet. Vielleicht ist er Autostopp gefahren. Oder mit dem Bus. Ich weiß es nicht. Als wir den Holzstoß aufschichteten, stand er auf einmal da.«
    »Wir sehen uns wieder«, sagte Reso Dorf. Aber ich sah ihn nie wieder. Statt dessen kamen irgendwelche Untergebenen von ihm. Ein halbes Jahr lang quälten sie mich mit immer denselben Fragen: Wo ist Joe? Wo ist Feilböck? Wo ist George? Wie ist er nach Rappottenstein gekommen? Meinen Kameraden ging es nicht anders. Aber die wußten noch weniger.
     
    Richard Schmidleitner, Fabrikant
    Drittes Band
     
    Die kaiserlichen und königlichen Prinzen und Prinzessinnen waren nicht zu überholen. Sie nahmen den gesamten Korridor in Anspruch. Von beiden Seiten strömten devote Schaulustige heran, hinzu kamen jene, die den Abend damit verbrachten, dem Geblitze der Fotografen nachzulaufen, sowie andere, die zufällig in den Rummel hineingerieten. Die Menschenmenge wurde von Ihren Kameraleuten im Rückwärtsgang, einem Schneepflug gleich, in zwei Reihen auseinandergedrückt, die an den Fensternischen und Wänden entlang für die Hoheiten Spalier standen. Wer nicht freiwillig auswich, wurde von mit Händen rudernden Kameraassistenten beiseite geschoben. Immer mehr Menschen kamen hinzu und ließen die beiden Reihen so anschwellen, daß sie, kaum war das Kamerateam durchgelassen, sofort wieder zu einer Masse zusammenzuschwappen drohten, wäre da nicht ein zweiter Assistent gewesen, der mit gekrümmtem Rücken und eingezogenem Kopf zwischen der Kamera und den Kaiserlich-Königlichen herumwirbelte, Zischlaute ausstieß und hin und wieder auch an Abendkleidern und Hosen zupfte. Ich weiß nicht, ob Sie die Bilder überhaupt gebracht haben, da doch der Kamerablick auf die Hoheiten immer wieder von Gewöhnlichen verstellt gewesen sein muß. Das Ganze glich einer Riesenschlange, die das Kamerateam wie eine Vorspeise verschlang und sich dahinter auf normale Dimensionen zusammenzog, um sich kurz danach, bei der Aufnahme der Hauptspeise, aufs äußerste zu dehnen. Der große Brocken, die vier seelenruhig nebeneinander einherschreitenden kaiserlichköniglichen Prinzen und Prinzessinnen, zeichnete seine äußere Form den ganzen Korridor entlang in die dichtgedrängte Menge hinein. Mir blieb nichts übrig, als mich dem kaiserlichköniglichen Gefolge anzuschließen, weil es die einzige Möglichkeit war, überhaupt weiterzukommen.
    Es gelang mir, mich direkt hinter dem ewigen Thronfolger, wie er von manchen Zeitungen spöttisch genannt wurde, in die Nachhut hineinzuzwängen. Der Mann war von ausnehmend großer Gestalt. Aus den Reihen der aneinander Gepreßten kamen immer wieder die Worte »kaiserliche Hoheit« und »Majestät«. Der Druck hinter mir war so stark, daß ich mir Mühe geben mußte, Majestät nicht auf die Fersen zu treten. Er wurde der Würde seiner theoretischen Erbansprüche insofern gerecht, als er dem Zurufen, Flüstern und Verbeugen hin und wieder seine Aufmerksamkeit schenkte und es mit einem freundlichen Kopfnicken erwiderte. Wäre er um hundert Jahre früher geboren worden, dachte ich mir, wäre er ein prachtvolles Exemplar von einem Kaiser, der, anstatt auf Stimmenfang zu gehen, einfach repräsentieren könnte. Er müßte nicht die von den gebeugten Brüsten und Hälsen herabbaumelnden Orden anlächeln, wie in einem magischen Versuch, diesen Skeletten vergangenen Glanzes noch einmal Leben einzuhauchen. Wäre er ein wirklicher Kaiser, dachte ich, müßte ich keine Angst haben, ihm auf die Fersen zu steigen, sondern ich hätte Mühe, ihm auf den Fersen zu bleiben. Die Sicherheitsbeamten würden mich abdrängen, ich würde hoffnungslos steckenbleiben, während Ihre Hoheit,

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