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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Akademiestraße kam mir ein Trupp von vielleicht zwanzig Jugendlichen entgegen. Als sie sahen, daß die Polizisten Waffen in Händen hielten, machten sie kehrt.
    Ich lief weiter bis zur Schwarzenbergstraße. Dort sah ich rechterhand, am Schwarzenbergplatz, Demonstranten, die Verkehrsschilder niederrissen und sie als Brechstangen zum Ausgraben von Pflastersteinen verwendeten. Linkerhand, zur Seilerstätte hin, war es ruhig. Ich lief in diese Richtung. Vergeblich schaute ich mich nach Taxis um. Auf der anderen Straßenseite ging mit schnellen Schritten ein Mann auf und ab. In der Aufregung wäre ich fast an ihm vorbeigelaufen. Es war mein Chauffeur. Ich hatte es schon aufgegeben, ihn noch zu finden.
    »Herr Direktor«, rief er. »Endlich, Herr Direktor. In zehn Minuten landet das Flugzeug.«
    Er hatte den Wagen an der Seilerstätte geparkt. Wir folgten der Einbahnstraße. Doch schon an der nächsten Kreuzung war die Seilerstätte plötzlich eine Einbahnstraße in die entgegengesetzte Richtung. Wir hätten zum Parkring hinausfahren müssen. Dort wäre die Fahrt vor einer Polizeisperre zu Ende gewesen. Wir waren gefangen in den Einbahnstraßen des ersten Bezirks. Wollten wir diese Nacht noch zum Flughafen gelangen, gab es keine andere Möglichkeit, als die Seilerstätte gegen die Einbahn weiterzufahren, in die Singerstraße stadteinwärts abzubiegen und uns dann am Stephansplatz vorbei die Wollzeile hinabzuschwindeln, die für den Durchfahrtsverkehr eigentlich gesperrt war. Aber für Verkehrsüberwachung hatte in dieser Nacht ohnedies niemand Zeit. Als wir am Lueger-Platz die Ringstraße überquerten, befanden wir uns wieder auf erlaubten Verkehrswegen. Die Fahrt zum Flughafen ging dann sehr schnell. Ich hatte mit Ihrer Hoheit vereinbart, daß ich im VIP-Raum auf sie warten werde. Dort saß ein Zeitungsfotograf in Straßenkleidung, trank Bier aus der Flasche und schaute sich die Opernballübertragung an. Er fotografierte mich, als ich mit einem Strauß weißer Rosen eintrat.
    »Wer hat Sie bestellt?« fragte ich.
    »Betriebsgeheimnis«, antwortete er und ließ es noch ein paarmal hintereinander blitzen. Ich war unschlüssig, ob ich ihn rauswerfen sollte. Immerhin war es ja möglich, daß es eine Information von Catherine Petit an den Musikkritiker der Zeitung gegeben hatte. Am wahrscheinlichsten schien mir jedoch, daß die Zeitung Kontakte zur Flugleitzentrale besaß. In diesem Augenblick wurde die Opernballübertragung unterbrochen, und ein Reporter begann vom Geschehen außerhalb der Oper zu berichten. Es war offenbar nicht das erste Mal. Aufgeregt erzählte er, daß geschossen worden sei. Ich sagte zum Fotografen: »Sie befinden sich am falschen Ort. Hier können Sie nur bescheidene Reste jener Hochkultur fotografieren, die an der Ringstraße gerade vernichtet wird.«
    »Keine Angst«, antwortete er. »Wir sind auch an der Ringstraße präsent.«
    Er nahm ein Handy aus der Fototasche, drückte einen Knopf und sagte: »Waschek hier. In einer Viertelstunde bin ich am Flughafen fertig. Wohin soll ich dann fahren? Begleiten, okay.«
    Er lachte mich schelmisch an.
    »Ich werde noch ein wenig die Ehre haben«, sagte er.
    »In meinem Wagen fahren Sie nicht mit«, fuhr ich ihn an.
    »Keine Angst«, antwortete er grinsend. »Aber ich werde auf Ihrer Fährte bleiben.«
    Mittlerweile war auch mein Chauffeur nachgekommen. Da die für den VIP-Raum zuständige Hosteß nicht zu sehen war, bat ich ihn, eine Flasche Champagner und ein paar Gläser zu organisieren.
    »Wie viele Gläser?« fragte er.
    »Genügend«, antwortete ich. »Auch eines für den Keine-Angst-Fotografen Waschek. Wir werden ihn ja doch nicht los.«
    Waschek prostete mir mit der Bierflasche zu.
    »Jetzt verstehen wir uns«, sagte er.
    Ich war beunruhigt, weil Catherine Petit noch nicht angekommen war. Vielleicht hatte sie schon vor dem Abflug von den Ausschreitungen gehört und deshalb auf die Reise verzichtet. Aber sie hatte doch die Nummer meines Autotelefons. Der Fernsehreporter sagte: »Dabei begann alles friedlich.«
    Gezeigt wurden Bilder von Jugendlichen, die am Schwarzenbergplatz rote Nelken an die Polizei verteilten. Zu den ersten Ausschreitungen sei es am Karlsplatz gekommen, wo ein paar hundert vermummte Jugendliche versucht hätten, die Polizeisperren zu durchbrechen.
    »Sehen Sie sich das an, meine Damen und Herren«, sagte der Reporter. »Hier, in einer Seitenstraße, abseits vom eigentlichen Demonstrationsgeschehen, beginnen kriminelle Elemente, der

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