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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Auf der Höhe der Simmeringer Heide wurde plötzlich die Musik unterbrochen. Eine Zeitlang war Stille, die erwartete Kennung für Verkehrsdurchsagen blieb aus. Man hörte, wie sich jemand räusperte. Dann vernahm man im Hintergrund, aus einem Studiolautsprecher, die Worte »Auf Sendung«. Schließlich eine aufgeregte Stimme. Sie tat sich schwer, die richtigen Formulierungen zu finden.
    Achtung, eine..., aus aktuellem Anlaß unterbrechen wir das Programm, Achtung, eine Sondermeldung. In der Wiener Staatsoper ereignet sich..., hat sich vor wenigen Minuten eine Katastrophe ereignet. Menschen haben geschrien und sind zusammengebrochen. Offensichtlich bewußtlos. Alles ist ungeklärt. Es sieht so aus..., noch immer brechen Menschen zusammen, massenweise. Als würden sie..., hoffen wir, daß es nicht so ist, als würden sie sterben. Es ist schrecklich, ganz schrecklich. Wir können im Moment noch nicht sagen, was hier vorgeht. Wir haben dieses Jahr keine eigene Leitung in die Oper. Wir sind auf das angewiesen, was man auf den ETV-Bildschirmen sieht. Und das ist entsetzlich. Bitte, liebe Zuhörer, beten Sie, daß es nicht so schlimm ist, wie es im Moment auf den Bildschirmen aussieht. Wir werden uns in Kürze wieder melden. Dann wieder Stille. Ich nahm Catherine Petit bei der Hand und bat den Chauffeur, anzuhalten. Schweigend saßen wir nebeneinander. Nach einer Weile setzte im Radio Trauermusik ein. Catherine Petits Hündchen leckte mir die Hand ab. Ich streichelte sein Fell. Ich stellte mir vor, sie wäre mit Impfzeugnis gekommen. Ich bedankte mich beim lieben Gott für den übereifrigen Zollbeamten. Ein paar Wochen später habe ich mich ihm erkenntlich gezeigt. Natürlich nicht mit Karten für den Opernball. Den wird es nie wieder geben.
    Als wir am Rande der Simmeringer Heide im Auto saßen, Trauermusik und dazwischen die neuesten Sondermeldungen hörten, wurde mir bewußt, daß ich einer Illusion aufgesessen bin. Als Unternehmer, besonders, wenn man erfolgreich ist, bildet man sich ein, man könne sein Leben selbst meistern. Gar nichts kann man. Ein Hundeimpfzeugnis, oder ein nachlässiger Beamter, oder ein kürzerer Opernabend in Basel, oder eine Erkrankung Ihrer Hoheit – und ich wäre jetzt ein toter Mann. So wie Jan Friedl. In den ersten Tagen habe ich mir seinetwegen große Vorwürfe gemacht, grundlose Vorwürfe, aber ich wurde sie doch nicht los. Als dann die gierige Lebensgefährtin auf den Plan trat, noch dazu auf der Grundlage meiner finanziellen Zuwendung, waren die Vorwürfe vorbei. Im Gegenteil, ich ärgerte mich – aber das darf man nicht laut sagen –, daß ich sie nicht überredet hatte, mitzukommen.
    Etwa eine halbe Stunde standen wir auf dem Pannenstreifen der Autobahn. Es fuhren nur wenige Autos vorbei.
    Über den Dächern der Stadt blinkten die Lichter von Hubschraubern. Ich hatte Catherine Petit im Hotel Bristol einquartiert, das gleich neben der Oper liegt. Durch die Rundfunkmeldungen war uns klar, daß dort zur Zeit völliges Chaos herrschte. Ich wollte Catherine Petit den Anblick dieses Grauens ersparen. Außerdem war es höchst ungewiß, ob wir überhaupt bis zum Bristol durchgekommen wären. Ein anderes gutes Hotel war in Wien sicher nicht zu bekommen. Catherine Petit sagte, sie wolle nach Basel zurückfliegen.
    »Ich fürchte«, antwortete ich, »bei den vielen Rettungshubschraubern wird es derzeit keine Starterlaubnis für Privatflugzeuge geben. Außerdem will ich Dich jetzt nicht allein lassen.«
    »Aber wir können doch nicht die ganze Nacht hier am Straßenrand stehen.«
    Ich gab dem Chauffeur Weisung, nach Salzburg zu fahren. Dort hatte Catherine Petit einmal während der Festspiele im Hotel Goldener Hirsch gewohnt. Ich hatte sie mehrmals besucht, und wir hatten gemeinsam eine schöne Zeit gehabt. Während der Fahrt hörten wir die zunehmend grauenhafter werdenden Radioberichte. Die Autobahn war in unserer Richtung so gut wie leer. An der Raststätte Ansfelden blieben wir stehen. Während der Hund, in der Kälte zitternd, sein Geschäft verrichtete, umarmte ich Catherine. Ich sagte: »Du bist mein Schutzengel.«
    Sie antwortete nicht gleich. Als wir wieder ins Auto stiegen, sagte sie: »Ihr Wiener tragt die Katastrophe in Euch. Ich habe das immer in der Musik gespürt.«
    Da blieb hinter uns ein Auto stehen. Es war der Fotograf Waschek. Ich sagte zu ihm: »Wir fahren ins Hotel Goldener Hirsch in Salzburg. Und Sie fahren jetzt nach Wien zurück. Dort werden Sie von Ihrer Zeitung

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