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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Polizei eine regelrechte Straßenschlacht zu liefern. Es werden Schaufensterscheiben eingeschlagen, Stangen von Straßenbahnhaltestellen und Verkehrsschilder ausgerissen, die Verglasungen der U-Bahn-Abgänge werden zertrümmert. Rechts im Bild kommt es offensichtlich zu den ersten Plünderungen. Scheint ein Büroraum zu sein. Alle diese Gegenstände fliegen bald über die Polizeisperren. Als die Polizei die Straße zu räumen beginnt, werden auch andere Demonstrationsgruppen, hier auf dem Karlsplatz, gewalttätig. Die Polizei meldet zu dieser Zeit noch, die Lage unter Kontrolle zu haben. Doch bald darauf trifft das offensichtlich nicht mehr zu. Hier, sehen Sie sich das an. Das hat mit Demonstration nichts mehr zu tun. Hier fangen Verrückte an, Krieg zu spielen. Mit Schlagstöcken und Wasserwerfern gelingt es, die Chaoten Richtung Karlsplatz zurückzudrängen. Aber andere nutzen die Gelegenheit und greifen am Schwarzenbergplatz an. Die Polizei kommt in eine Zange.«
    Ihr habt überhaupt keine Bilder mit den Schüssen anzubieten gehabt. Man hörte sie. Und dann sah man die Polizisten nacheinander die Pistolen ziehen. Ich ging nervös im Raum auf und ab. Die Hosteß brachte den Champagner auf einem Servierwagen. Offenbar hatte sie der Chauffeur doch noch aufgetrieben. Die Polizei, so wurde uns versichert, hat die Lage mittlerweile im Griff. Die Opernballübertragung wurde fortgesetzt, Catherine Petit war immer noch nicht da. Doch, da war sie. Auf dem Bildschirm. Man sah einen Ausschnitt aus La Traviata. Dann saß Ihre Hoheit im weißen Plüschkostüm der Violetta Valery in der Garderobe und sagte, daß sie das Wiener Opernpublikum liebe. Im Hintergrund der getrocknete Strauß Rosen, den ich ihr nach der Premiere geschenkt hatte. Währenddessen kam ein Zollbeamter. Er fragte mich, ob ich die Opernsängerin Catherine Petit erwarte. Der Fotograf Waschek ging an die Arbeit.
    »Ich? Ganz Wien erwartet sie.«
    Ich zeigte auf den Fernsehapparat.
    »Wir haben da ein Problem«, meinte der Beamte. »Sie hat einen Hund bei sich, so ein kleines Schoßhündchen.«
    »Na und? Hat der Hund Heroin gefressen?«
    »Er hat kein Impfzeugnis«, sagte der Beamte.
    Da vergaß auch der Fotograf für einen Moment seine Arbeit.
    »Unglaublich«, rief ich. »Ein Schoßhündchen ohne Impfzeugnis. Das ganze Land ist gefährdet. Und an Ihnen liegt es, die Katastrophe abzuwenden. Schicken Sie das Flugzeug sofort zurück. Morgen sind Sie ein berühmter Mann.«
    Dem Beamten war es sichtlich unangenehm, daß er von Waschek dauernd fotografiert wurde. Er sagte: »Was soll ich tun? Ich habe meine Vorschriften.«
    »In einer Nacht wie dieser sollten Sie nicht im Dienst sein. Gehen Sie nächstes Jahr mit Ihrer Frau zum Opernball. Ich werde Ihnen Karten besorgen. Und nun beenden Sie diese Komödie.«
    Eine Weile stand er verlegen da.
    »Bitte«, flehte ich ihn an. »Sie werden das schon hinkriegen.«
    Er sagte: »Ich werde schauen, was sich machen läßt«, und ging fort. Offenbar ließ sich sehr leicht etwas machen. Denn kaum war er fort, kam Catherine Petit in einem langen, weißen Pelzmantel zur Tür herein. Sie trug ein Bastkörbchen. Sie war klein und eher rundlich, aber in dem fast bodenlangen Mantel wirkte sie schlank und elegant. Ich küßte ihr die Hand und überreichte die Blumen. Waschek fotografierte. Wir tranken ein Gläschen Champagner. Auch der Zöllner trank mit. Er entschuldigte sich bei Catherine Petit, nicht ohne Hinweis auf seine Vorschriften. Sie nahm es nobel zur Kenntnis. Auf dem Bildschirm war die Loge von Kommerzialrat Schwarz zu sehen. Catherine Petit freute sich auf den Ball. Da ich zum Aufbruch drängte, sagte der Zöllner, er wolle mir noch seine Adresse geben, wegen der Opernballkarten. Mein Chauffeur ging mit dem Koffer voraus.
    Auf der Fahrt erzählte ich Catherine Petit von den Demonstrationen.
    »Mittlerweile«, sagte ich, »sollte die Polizei den Schwarzenbergplatz geräumt haben. Den letzten Fernsehberichten zufolge, können wir, wie es sich gehört, an der Rampe vorfahren.«
    Sie erzählte mir von der Abendvorstellung in Basel. Sie sagte: »Alfredo Germont wäre am liebsten mitgekommen. Aber das wollte ich Dir nicht antun.«
    »Jetzt bin ich Dein Bühnenpartner«, antwortete ich. »Du kannst sicher sein, Du wirst auch in Wien einen großen Auftritt haben. Und wesentlich mehr Zuschauer. Je später der Abend...«
    »... desto eitler die Gäste«, fiel sie mir ins Wort.
    Ich bat den Chauffeur, den Verkehrsfunk aufzudrehen.

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