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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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anderer Mann legte zu meiner Überraschung einen Kranz auf den Sarg. Ich las auf der Schleife: »Unserem Mitarbeiter Fred in ewigem Andenken. ETV.«
    Dann gingen wir los. Die beiden Männer zogen den Wagen, Heather und ich folgten dem Sarg. Hinter uns gingen die Kolleginnen und Kollegen von ETV. Kleine Steinchen knirschten unter den eisenbeschlagenen Rädern. Heather hängte sich in meinen Arm ein. Ich schaute durch den Schleier auf ihr Gesicht. Sie blickte zurück. Aber sie weinte nicht. Wir gingen auf einer Asphaltstraße in östlicher Richtung, bis wir nach etwa zehn Minuten zu Gräbern kamen, auf denen Kränze lagen. Vor einem offenen Grab blieben die beiden Bestatter stehen. Sie hoben den Sarg auf ein über dem Grab angebrachtes Gestell mit Gurten. Dann stellten sie sich nebeneinander auf und schauten auf den Sarg. Da nichts geschah, hob einer den Kopf und fragte, ob jemand noch etwas sagen wolle. Ich war darauf nicht vorbereitet. Doch dann sagte ich: »There will be no more tears in heaven. Good bye, Fred, good bye.«
    Dann kamen mir plötzlich die Tränen. Heather lehnte sich an mich. Ich legte meinen Arm um ihre Schultern.
    Einer der Männer drehte an einer Kurbel, und der Sarg senkte sich langsam in die Grube. Ich hörte Heather schluchzen und preßte den Mund fest zusammen. Als Freds Sarg am Boden stand, richtete sich der Mann auf. Er blickte auf den Sarg.
    »Gott gebe ihm die ewige Ruhe.«
    Der andere Mann antwortete: »Amen.«
    Er füllte ein Gefäß mit Erde, legte eine kleine Schaufel darauf und stellte sich neben uns. Ich warf meine Blumen ins Grab. Der Bestatter hielt mir die gefüllte Schaufel entgegen. Ich nahm sie und ließ die Erde langsam auf den Sarg hinabrieseln. Heather machte es mir gleich. Dann gingen wir zur Seite. Mit dumpfen Geräuschen schlugen die Blumen und Erdhaufen auf dem Sarg auf. Rosen, Nelken, Lilien, Tulpen. Manche blieben auf dem Deckel liegen, andere rutschten seitlich hinab. Danach kamen die beiden Bestatter auf uns zu. »Wir wollen unsere aufrichtige Anteilnahme entbieten.«
    Aber das hatten sie ja eigentlich schon vor dem Begräbnis getan. Ich verstand nicht gleich. Als sie zum Handwagen gingen und im Begriffe waren, sich zu entfernen, erinnerte ich mich an die kleine Konversation, die ich hinter der Aufbahrungshalle gehört hatte. Ich ging den beiden Männern nach und steckte jedem hundert Schillinge zu. Beide sagten: »Danke höflichst.« Dann zogen sie mit ihrem Handwagen fort, zum nächsten Begräbnis der Billigvariante.
    Die ETV-Mitarbeiter standen noch am Grab. Ich sagte zu ihnen, ich sei nicht darauf vorbereitet gewesen, daß jemand von ihnen zum Begräbnis komme. Ich werde sie später einmal zu einem Essen einladen. Das sei doch nicht nötig, sagten sie wie aus einem Munde.
    »Aber ich will es. Ich werde ein großes Fest für Fred machen.«
    Sie verabschiedeten sich nacheinander von uns. Ich blieb mit Heather allein am Grab stehen. Mittlerweile dämmerte der Abend. Ich schaute auf den Sarg und erinnerte mich, wie Fred zu mir sagte: »Oh, là, là, die Familie bekommt Zuwachs.« Das Gegenteil ist eingetreten. Ich konnte es nicht glauben, daß ich ihn nie wieder sehen würde. Heather hob den Schleier über die Hutkrempe. Wir blickten uns mit rot geränderten Augen an. Lange. Dann sagte ich: »Fahren wir heim.«
    Sie nickte.
    Vor Freds Wohnungstür fragte ich sie, ob ich noch ein wenig bei ihr bleiben könne. Sie antwortete: »Ich wollte Dich gerade darum bitten.«
    Heather hatte Freds Wohnung aufgeräumt. Wir setzten uns nebeneinander in zwei Stahlrohrstühle, die mit hellem Leinen bespannt waren. Heather sagte: »Das ist eine schöne Wohnung. Wirst Du sie behalten?«
    Ich wußte es nicht. Alles, was ich wußte, war, daß ich nicht so schnell in der Lage sein würde, alles auszuräumen. Ich fragte: »Stört es Dich, wenn ich rauche?«
    »Mach nur. Das riecht sicher besser als der kalte Rauch. Ich habe den ganzen Vormittag vergeblich gelüftet.«
    Ich roch das nicht. Die Aschenbecher waren verschwunden. Heather ging in die Küche. Als sie zurückkam, hatte sie den Hut abgelegt. Sie brachte einen Aschenbecher, eine Flasche Bordeaux und zwei Gläser. Ich öffnete die Flasche und schenkte ein. Wir hoben die Gläser und schauten uns an. Ihre Blicke glitten an meinem Gesicht auf und ab.
    »Kurt, ich wollte Dir schon lange etwas sagen, aber ich habe es nicht fertiggebracht, Dich anzurufen. Auch nicht, als Du zu Weihnachten in London warst.«
    Ich sah sie an und wartete. Dann

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