Opernball
muß sich ja fast genieren mit Dir. Paß bloß auf, daß Dir keiner die Federn rupft.«
Pandabär schlug vor, ins Gasthaus zu gehen und die Wiederkehr zu feiern. Darauf der Geringste: »Mormonen trinken keinen Alkohol. Gefeiert wird nach der Arbeit.«
Er sah uns nacheinander an. So wie früher, bevor wir Gürtelputzen gingen.
»Diesmal«, sagte er, »wir gehen aufs Ganze. Aber zuerst wir müssen uns vergewissern, wer noch dazugehört.«
»Alle«, sagten wir. »Jetzt, wo Du wieder da bist, selbstverständlich alle.«
»Alle«, sagte Feilböck, »das weißt Du doch. Wenn Du bloß normal reden würdest.«
»Wir werden sehen«, meinte der Geringste. »Bisher haben wir gespielt, aber jetzt geht es um den heiligen Krieg.«
»Was heißt das«, fragten wir, »was ist der Unterschied zu früher? Du bist wieder da, und wir kämpfen gemeinsam weiter.«
Der Geringste sagte: »Ich habe mitgebracht einen Plan. Er heißt Harmagedon. Wir dürfen uns nicht leisten den kleinsten Fehler, dann wir werden sein siegreich. Leisten wir uns einen Fehler, dann wir werden sein erledigt ein für allemal. Das ist der Unterschied zu früher.«
»Sag einmal, kannst Du nicht normal mit uns reden?« fragte der Polier. »Ist doch niemand weit und breit.«
Der Geringste schaute ihn an und ließ sich, so wie früher, mit der Antwort Zeit. »Erst wenn wir werden haben gesiegt. Dann alles wird sein anders. Und die Auserwählten werden sehen, sie sind Auserwählte, und sie werden reden anders.«
Er steckte den kleinen Finger in den Mund und kaute daran. Als er ihn wieder herauszog, waren die zwei Achten verschwunden. Statt dessen sah man ein Brandmal.
»War nur aufgemalt«, sagte er. »Damit Ihr mich wiedererkennt. Ihr versteht, ich bin Steven Huff aus Arizona, genannt der Geringste.«
Er blieb nicht einmal zwanzig Minuten. Er nannte uns Zeit und Ort der nächsten Zusammenkunft. Sie war für den bevorstehenden Samstag angesetzt. Wir sollten in Abständen von jeweils einer Viertelstunde beim sogenannten Neugebäude eintreffen. Aber wir sollten nicht mit dem Auto kommen, sondern jeder für sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Er werde als erster dort sein. Feilböck solle festlegen, wer wann eintreffe. Der Geringste drückte jedem von uns ein mormonisches Flugblatt in die Hand. Er sagte: »Ihr geht jetzt auseinander. Jeder für sich.«
Dann verließ er uns. Er schlenderte langsam am Gasthaus vorbei in Richtung Museum des Zwanzigsten Jahrhunderts.
Wir standen da mit unseren Flugblättern. Sicher hatte sich jeder von uns die Wiederkehr des Geringsten anders vorgestellt. Ich sah uns Bier trinken und schießen und in das Lachen der Unbesiegbaren ausbrechen. Statt dessen standen wir stumm da, wie die Apostel, denen der Auferstandene in die Wolken entschwindet. Als die rote Baseballkappe nicht mehr zu sehen war, nannte Feilböck die Reihenfolge unseres Eintreffens bei der nächsten Versammlung. Er selbst wollte der erste sein, danach kam der Polier. Dahinter folgten der Blade, Pandabär, ich und der Lange. Sagte es, und ging fort. Wir taten es ihm gleich. Grußlos. Irgendwo las dann jeder sein Flugblatt. Wahrscheinlich war ich nicht der einzige, der befürchtete, daß die Verhaltensregeln der Heiligen der letzten Tage – kein Alkohol, kein Nikotin, kein Tee, kein Kaffee, kein außerehelicher Sex – bald unsere eigenen werden könnten.
Und noch etwas war von diesem Abend an anders. Ich habe Feilböcks spontaner Aufzählung eine große Bedeutung beigemessen. Sie wirkte für mich wie die Festlegung einer neuen Hierarchie. Das wirkte sich auf mein Verhältnis zum Polier aus, ohne daß ich hätte sagen können, was sich geändert hat. Jetzt, im nachhinein, weiß ich es. Vielleicht hatte Feilböck nur aus alter Dankbarkeit für Rappottenstein den Namen des Poliers gleich hinter seinen gereiht, aber ich fühlte mich seit diesem Aprilabend im Schweizer Garten vom Polier überwacht.
Zwei Tage später trafen wir uns in den Ruinen des Neugebäudes. Kennen Sie nicht? Der Name ist irreführend. In Wirklichkeit handelt es sich um ein leerstehendes altes Schloß, das vor einigen Jahren von Kindern in Schutt und Asche gelegt worden war. Die Stadt konnte sich nicht entschließen, was sie mit dem zerstörten Komplex machen sollte. Der Geringste hatte unter den Ruinen einen intakten Kellerraum ausfindig gemacht. Als ich eintraf und nicht wußte, wohin ich gehen sollte, trat Pandabär hinter einer Mauer hervor. Er zeigte mir den Keller, in dem bei Kerzenlicht
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