Opfer der Lust
Blanche und Mantis auch Daryl zeigte. Er nahm den vergoldeten Bilderrahmen in die Hand, betrachtete den Schnappschuss und rümpfte die Nase. Mit angewiderter Miene legte er den Rahmen so hin, dass man das Foto nicht mehr sehen konnte.
Verschlafen rieb sich Bethany die Augen und meinte zu träumen. Kade inspizierte ihre Wohnung.
„Wie bist du hereingekommen?“, fragte sie schroff und nahm ihm eine CD ab.
Daryl hatte diese CD mit eigens ausgesuchten Liedern gebrannt, ‚Unsere Lovesongs‘ mit goldenem Stift auf die Hülle geschrieben und sie ihr geschenkt, als sie einen Monat zusammen gewesen waren. Das schien eine Ewigkeit her. Beth hatte diese CD bestimmt seit einem Jahr nicht mehr gehört.
Kade schmunzelte. „Ich habe einen Schlüssel für die Haustür und einen für deine Wohnung.“
„Was? Das kann nicht sein.“ Oder doch? Ihr kam ein schrecklicher Gedanke. „Du hast sie meinen Eltern gestohlen.“
Bethany besaß ihre Schlüssel noch. Das wusste sie ganz genau, schließlich hatte sie sie benutzt, nachdem sie in der gestrigen Nacht vom Hideaway heimgekehrt war. Aber ihre Eltern bewahrten Ersatzschlüssel für Notfälle auf.
„Weshalb haben Blanche und Mantis einen Schlüssel von deiner Wohnung?“, fragte er und runzelte die Stirn.
Beth fiel auf, dass er oft die Vornamen ihrer Eltern benutzte. Das wirkte so vertraut, als würde er sie kennen, doch das war unmöglich. Vermutlich wollte er Beth nur irritieren, indem er ihr Familienvertrautheit vorgaukelte. „Falls ich mich ausschließe oder meiner gestohlen wird.“
„Hast du auch einen Schlüssel von ihrem Appartement?“
Sie zögerte und war auf der Hut. „Selbst wenn ich einen hätte, würde ich dir das niemals verraten.“
„Du hast keinen.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. Sein Blick verfinsterte sich. „Und wieso verwahrst du keinen Ersatzschlüssel von ihrem Appartement auf? Findest du das nicht seltsam?“
„Nein, warum sollte ich?“
„Aus dem gleichen Grund, weshalb sie deinen Schlüssel besitzen.“ Er seufzte. „Für Notfälle.“
Nun, da er das Thema ansprach, kam es ihr schon irgendwie komisch vor. Ihre Eltern konnten sich genauso gut ausschließen. In diesem Fall hätte Beth keine Möglichkeit, ihnen zu helfen, außer den Schlüsselnotdienst anzurufen, der die Wohnungstür für viele unnötige Dollars öffnen müsste.
Sie zuckte mit den Schultern. „Sie haben sowieso zwei Schlüssel, Mom trägt immer einen bei sich und mein Dad auch.“
„Für mich sieht es eher so aus, als würden sie dir nicht vertrauen.“
„Unsinn!“ Aufgebracht zeigte sie mit dem Finger auf Kade. „Du bist derjenige, der nicht vertrauenswürdig ist. Du bist nicht nur ein Erpresser, sondern auch ein Einbrecher. Los, sag schon, woher hast du die Schlüssel zum Haus und zu meiner Wohnung?“
Kade griff ihre Hand, die sie auf ihn gerichtet hatte, und lenkte ihren Arm beiseite. „Erinnere dich. Du bist im Hideaway auf Toilette gegangen.“
„Und? Ich besitze meine Schlüssel noch.“
Er führte ihren Arm hinter ihren Rücken und zog sie zu sich heran. „Ich habe einen Abdruck von beiden Schlüsseln gemacht, als du auf dem WC warst.“
Bethany war fassungslos.
Vor ihrem geistigen Auge sah sie Kade im Weinlokal sitzen und ihr hinterherschauen, als sie die Damentoilette aufsuchte. Er prüfte rasch, ob er unbeobachtet war, griff ihre Handtasche und fischte ihr Schlüsselbund heraus. Eilig drückte er wahrscheinlich alle Schlüssel nacheinander in die Abdruckform, legte das Bund zurück in die Tasche und hängte diese über den Stuhl, bevor Beth zurückkam.
War es so gewesen?
„Kein Schlüsseldienst der Welt würde dir Kopien machen, weil du nicht der Eigentümer dieses Hauses bist. Außerdem hattest du zu wenig Zeit, um Nachschlüssel machen zu lassen.“ Bethany schämte sich ihrer schwachen Gegenwehr, Verbrecher brauchen keinen Schlüsseldienst.
“60 Sekunden.“ Er machte eine Pause und lächelte erhaben. „Mehr braucht man heutzutage nicht mehr, um mit einem Schlüsselkopiersystem einen Nachschlüssel anzufertigen, der passgenau und fast so stabil wie das Original ist.“
„Du bist wohl ein Profi, was?“, fuhr sie ihn an.
Er schüttelte den Kopf. „Nein, leider kann jeder solch ein System problemlos im Internet bestellen. Es ist frei verkäuflich. Kaum zu glauben, nicht wahr?“
Zärtlich küsste er ihre Stirn. Er ließ ihren Arm los, trat einen Schritt beiseite und betrachtete sie von dem wirren braunen Haarschopf bis
Weitere Kostenlose Bücher