Opfer der Lust
auf den Fremden schließen, der sich soeben von seiner leicht bekleideten Tochter verabschiedet hatte.
„Beim nächsten Mal machst du ihm nicht in dem Aufzug die Tür auf. Er kann die Sachbücher bei mir abgeben. Und jetzt zieh dich an und komm runter. Deine Mom hat Bohnen und Rippchen gekocht“, sagte er und verschwand in der Wohnung.
„Ich muss erst noch duschen“, rief sie ihm hinterher und schloss ihre Tür. Sie lehnte sich von innen dagegen und schloss die Augen. Was war das nur für ein Morgen!
Bethany schlenderte ins Schlafzimmer, um ihr Bett neu zu überziehen und frische Kleidung aus dem Schrank zu nehmen.
Einer der Seidenschals lugte unter dem Kopfkissen hervor und der andere lag neben dem Bett auf dem Boden. Bethany ließ sich auf ihr rechtes Knie nieder, um den Schal aufzuheben, als sie einen Schatten entdeckte. Etwas, das wie ein Knopf aussah, klebte unter ihrer Nachtkommode. Es war schwarz und klein, vermutlich sogar kleiner als ein Penny.
Um zu prüfen, was es war, ertastete sie den Knopf. Sie riss daran, um ihn von der Kommode loszubekommen, hielt ihn zwischen Zeigefinger und Daumen hoch und betrachtete das Objekt.
Plötzlich fuhr ihr der Schreck in die Glieder. Sie ahnte, was sie gerade in der Hand hielt.
Eine Wanze, schoss es ihr durch den Kopf.
Beth schlug die Hand auf ihren Mund, um nicht entsetzt aufzuschreien.
14. KAPITEL
Erschöpft ließ Beth sich auf ihr Sofa fallen. Nach dem gemeinsamen Mittagessen bei ihren Eltern hatte sie ihre Wohnung auf den Kopf gestellt und nach weiteren Abhörgeräten gesucht. Sie hatte noch nie im Leben eine Wanze gesehen, aber das Objekt, das unter ihrer Nachtkommode geklebt hatte, konnte nichts anderes sein.
Sie war auf ihren Balkon gegangen und hatte mit ihrem Handy versucht, Aaron auf dem Revier zu erreichen, aber er hatte am Wochenende frei und seine Mobilnummer durfte die Telefonistin in der Zentrale nicht herausgeben. Obwohl Beth Verständnis dafür hatte, war sie trotzdem sauer.
Bethany hatte drei Wanzen gefunden.
Eine klebte zwischen Kühlschrank und Wand in einem winzigen Spalt, eine weitere hatte Beth im Wohnzimmer entdeckt. Die Person, die das winzige Lauschgerät dort angebracht hatte, hatte die Tapete an der Naht hochgezogen, die Wanze auf den Putz geklebt und die Tapete wieder darübergelegt.
Bethany hatte alle drei Wanzen wutentbrannt in die Toilette geworfen und die Spülung betätigt. Nun überlegte sie, ob es vielleicht klüger gewesen wäre, sie an Ort und Stelle zu lassen, damit der Lauscher sich in Sicherheit wusste, und erst mit Aaron zu sprechen. Er konnte ihr bestimmt einen Tipp geben, wie sie sich verhalten sollte. Aber Beth hätte es keine Minute länger in ihrer Wohnung ausgehalten!
„Das kannst nur du gewesen sein, Kade“, spie sie übelgelaunt und schlüpfte aus den sepiabraunen Pantoffeln mit den Elchstickereien, die Blanche ihr letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte.
Kurz nach der Bescherung hatten sie mithilfe des Selbstauslösers das Foto gemacht, das nun mit dem Gesicht nach unten auf dem Wohnzimmerschrank lag.
Beth setzte sich im Schneidersitz auf die Couch.
Was sollte sie nur wegen Kade unternehmen? Wenn wirklich er es war, der die Wanzen in ihrem Appartement angebracht hatte, hatte sie ihn unterschätzt. Technische Hilfsmittel deuteten darauf hin, dass er nicht irgendein mehr oder minder harmloser Spinner war, dem das Video zufällig in den Schoß gefallen war und der die Gelegenheit nutzte, um eine lustvolle Zeit mit seinem Opfer zu verbringen, sondern dass sie es mit einem Profi zu tun hatte.
Vielleicht besaß Kade sogar eine Waffe.
Trug er ein Schulterholster? Hatte er ihre Hände gefesselt, um zu verhindern, dass sie ihn beim Liebesspiel berührte und seine Schuss- oder Stichwaffen entdeckte? Waren seine verständnisvollen Worte nur Schall und Rauch gewesen? Immerhin hatte er sich nicht entkleidet, sondern nur Hose und Slip heruntergeschoben.
„Du hast Wahnvorstellungen“, sagte Bethany zu sich selbst und raufte sich die Haare. „Das ist das wahre Leben und kein Kriminalroman.“
Es war später Nachmittag, als jemand an ihrer Wohnungstür klopfte.
„Wer ist da?“, rief Beth, die gerade ihr Bett frisch überzogen hatte und die Schmutzwäsche in den Wäschekorb im Badezimmer warf.
„Ich bin‘s. Daryl.“
Schmunzelnd schüttelte Beth den Kopf, weil er ihr Verlobter war, jedoch keinen Türschlüssel besaß, während Kade, ein wildfremder Mann, bei ihr ein- und ausgehen konnte, wann er
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