Opfer der Lust
weshalb er sich in ihr Leben drängte, und dass dieses Motiv ihr nicht gefallen würde.
„Wieso wiegelst du mich gegen alle auf? Du behauptest, Daryl wäre ein Schlappschwanz.“
„So habe ich das nicht ausgedrückt“, warf er ein und lachte laut auf. „Aber es trifft die Sache ganz gut.“
Beth fuhr genervt fort: „Du greifst immer wieder meinen Dad an und bringst Aaron in eine prekäre Situation.“
„Einwand, euer Ehren!“ Er riss die Hände hoch. „Das habt ihr beide sehr gut selbst geschafft. Ich habe euch nicht gezwungen, am Fuße des Fort Hill Towers zu –“
„Stopp!“, unterbrach sie ihn. „Ich will das nicht hören.“
„Du scheinst ein Problem damit zu haben, der Wahrheit ins Auge zu blicken, Babe.“
Er wollte ihre Wange streicheln, aber sie schlug seine Hand weg.
„Vielleicht hast auch du ein verzerrtes Bild der Realität“, fauchte sie.
Seine Miene verfinsterte sich. Er griff ihr Handgelenk und hielt es fest. „Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass sich irgendwer zwischen uns stellt. Nicht Aaron, nicht Daryl und auch nicht dein Vater. Hast du mich verstanden?“
„Soll das eine Drohung sein?“ Ihr Herz setzte einen Schlag aus, um dann einen Takt schneller weiterzuschlagen.
„Ich beschütze dich vor ihnen, auch wenn du das nicht wahrhaben willst. Diese Männer verfolgen nur ihre eigenen Ziele, aber ich kümmere mich um dich, auch wenn ich dich zu deinem Glück zwingen und scharfe Geschütze auffahren muss.“ Kade ließ ihre Hand los und durchquerte das Wohnzimmer in Richtung Tür.
Bethany vermutete, dass Kade unter vollkommenem Realitätsverlust litt. Er stellte sich zwischen die Personen, denen sie vertraute, und behauptete auch noch dreist, es um ihretwillen zu tun. Dabei war er der Kriminelle!
An der Tür drehte er sich noch einmal um. „Deiner Mutter geht es nicht gut. Vielleicht solltest du nach dem Grund suchen.“
„Was soll das schon wieder heißen?“ Mittlerweile brauchte sie ihre Wut nicht mehr zu spielen.
„Ich habe den Brief gelesen, den du für deine Mom an ihre Krankenkasse geschrieben hast. Du solltest sensible Dateien auf deinem Laptop löschen oder, noch besser, sie überschreiben. Es könnte sich jemand am Notebook zu schaffen machen und Informationen erhalten, die ihn nichts angehen.“ Kade zwinkerte, öffnete die Tür und trat ins Treppenhaus.
Bethany erstarrte. Vor einigen Wochen hatte sie ein Schreiben für ihre Mutter aufgesetzt, in dem Blanche der Krankenkasse mitteilte, dass sie wegen nervlicher Belastung nicht mehr arbeiten konnte und dadurch ab sofort über ihren Mann versichert war.
Kade hatte den Brief gelesen und besaß nun Mantis‘ und Blanches SSN. Die neunstellige Social Security Number funktioniert wie ein Personenkennzeichen, denn nicht nur die Sozialversicherung und das Gesundheitswesen benutzten sie, sondern auch das Finanzamt und andere Behörden.
Durch diese Nummer kam Kade an alle Informationen, die er haben wollte.
Bethany begann zu zittern und schlang die Arme um ihren Körper. Es war eiskalt in ihrer Wohnung. Sie eilte hinter Kade her und drehte im Vorübergehen den Wohnzimmerheizkörper auf.
Dann stellte sie sich in den Türrahmen und schaute ihm nach.
Plötzlich wurde die Wohnungstür ihrer Eltern geöffnet. Ihr Vater tauchte im Türrahmen auf und beäugte Kade skeptisch. „Kann ich Ihnen helfen?“
„Nein, danke.“ Kade legte zum Gruß zwei Finger an seine Schläfe. Er wandte sich zu Beth um, schenkte ihr einen warnenden Blick und verließ das Haus, ohne etwas Weiteres zu ihr zu sagen.
Mantis kam zum Treppenabsatz. Er musterte den Aufzug seiner Tochter kritisch. „Wer war das?“
„Ein Student.“ Sie hätte sich für diese Antwort ohrfeigen können, aber es war ihr keine andere Ausrede eingefallen.
„Ist er nicht etwas zu alt, um noch zu studieren?“
„Er ist im letzten Semester“, log sie und zog den Gürtel ihres Bademantels enger. „Wir haben uns neulich in der Unibibliothek kennengelernt und er hat mir einige Fachbücher empfohlen, die er mir gerade vorbeigebracht hat.“
Mantis stützte sich am Geländer ab. „Wenn ihr doch sowieso in der Bibliothek wart, warum hast du die Bücher nicht gleich mitgenommen?“
Nervös zupfte sie an einigen losen Fäden ihres Morgenmantels. „Weil sie ausgeliehen waren.“
Sie dachte darüber nach, ob sie ihn nach Maternity Help fragen sollte, entschied aber, dass es der falsche Moment war. Ihr Dad war nicht dumm und würde von ihren seltsamen Fragen
Weitere Kostenlose Bücher