Opfer fliegen 1. Klasse
blaue Cabrio.
...bummmmmmmmmm...
Bremsen kreischten.
Tim hob etwas den Hintern vom
Rennsattel, um einen Vorwärtsschub mit eventuellem Kopf-über-Salto anzudeuten,
und blickte über Lenker und Vorderrad in entsetzte, rehbraune Augen.
Der Wagen stand, halb auf
Fahrbahn, halb auf Gehsteig. Tims Vorderrad hielt Fühlung mit der Fahrertür.
„Ouuuh, meine Dame!“ stöhnte
er. „Ich habe Vorfahrt. Sie hätten warten müssen. Ist Ihnen der Fuß von der
Kupplung gerutscht?“
Die Frau war jung, etwa 30,
hatte eine blonde Emanzen-Frisur, die sie vermutlich mit dem Lady-Shave selber
schnitt, ein hübsches, etwas längliches Gesicht und kirschrot geschminkte
Lippen, die weithin wie ein Stopsignal leuchteten.
„Tut mir leid!“ rief sie mit
einem Schluchzer auf den Stimmbändern.
„Ich will ja keinen Zoff
machen, aber mein Vorderrad ist total verbogen, und ich bin fürchterlich in
Eile. Ich bike hier nicht zum Spaß, sondern weil ich dringend weitermuß.“
Er äugte zur Ampel. Noch stand
sie auf Rot, und der Auspuff des BMW rülpste im Leerlauf, weil Diepholz zuviel
Gas gab.
„Ach ja?“ Die Frau hatte sich
über die Seitentür gebeugt, bei herabgekurbelter Scheibe, und blickte auf Tims
Vorderrad.
An dem war alles in Ordnung.
Aber das, dachte der TKKG-Häuptling, kann die Lady so schnell nicht checken.
„Was machen wir nun?“ Wieder
ein Blick zur Kreuzung.
„Ich weiß nicht.“ Die Rehaugen
strahlten ihn, um Verzeihung bittend, an. „Ich wäre Ihnen sehr dankbar, junger Mann,
wenn wir auf die Polizei verzichten.“
„Aha!“ Tim grinste.
Sie lächelte. „Ich... fahre
manchmal ein bißchen zu schnell und habe schon ein paar Strafpunkte in der
Verkehrssünderkartei.“
„Vor allem fahren Sie zu
schnell aus der Einfahrt. Sie könnten kleine Kinder gefährden. Und Tiere.
Freilaufende Hunde, Katzen, Nashörner und Giraffen. Aber letztere weniger. Die
sieht man von weitem. Sogar über Ihre Hecke.“
Die Frau lächelte stärker.
„Nett von Ihnen, junger Mann! Ich übernehme die Reparaturkosten an Ihrem Rad —
und gelobe, meinen Fahrstil zu ändern.“
Vorn sprang die Ampel auf Gelb,
dann auf Grün.
„Ich heiße Peter Carsten“,
sagte der TKKG-Häuptling, „werde aber Tim genannt. Siezen müssen Sie mich
nicht. Ich sehe nur so aus, als wäre ich schon im Respekt-Alter. Sie könnten
mir jetzt helfen. Weil ich dringend in die Richtung muß.“ Er wies zur
Landstraße, auf der sich der BMW mit zunehmender Geschwindigkeit entfernte.
„Nach Bingweiler. Mit meinem total defekten Bike schaffe ich das nicht mehr.“
„Gern. Ich fahre dich hin.“
Tim war bereits abgestiegen,
kettete sein geliebtes Bike an einen Hydranten, flankte über die rechte
Cabrio-Tür auf den Nebensitz, wo er auf einem leeren Einkaufsnetz landete, und
zog sein T-Shirt an.
„Du hast es wohl wirklich
eilig.“ Sie betrachtete ihn mit sanftem Spott in den Rehaugen.
„Sehr! Ich befinde mich
sozusagen in einem Ausnahmezustand. Bitte, fahren Sie! Noch haben wir grün.“
Sie preschte los, daß die
Reifen jaulten.
Sie hieß Heike Rembach, trug
einen Ehering, der aussah wie selbstgemacht, trug weiße Jeans,
Klassiker-Turnschuhe von der Sorte, in der man sich in den 60er Jahren beim
Joggen die Knöchel verstaucht hat, und ein T-Shirt mit der Aufschrift ,Ich bin
ein Ausländer — besonders hier’.
Zischschsch über die Kreuzung.
Fern in der Kurve verschwand der sandfarbene BMW. Aber Heike, die offenbar noch
viel vorhatte, wollte rasch nach Bingweiler und rasch wieder zurück sein. Sie
holte auf.
Tim hatte mit einem Blick
festgestellt: Das Cabrio atmete Luxus. Nicht nur die Lackierung war ein
besonders edles Blau. Auch die lederne Ausstattung hatte man sicherlich
ausgiebig gegerbt vor der Verarbeitung, und ein ohrmuschel-freundliches
Autotelefon gehörte dazu.
Super! dachte Tim und legte
sich den Gurt um.
Auch Heike war angegurtet. Sie
lächelte beständig. Ab und zu streifte ihn ihr Blick.
„Ich bin Schüler der
Internatsschule in der südlichen Region“, erklärte Tim, damit das Gespräch
nicht ganz versackte.
„Außerdem bist du ein Gauner“,
lächelte sie.
„Ich? Wieso?“
„Unser Zusammenstoß war zwar
nicht unheftig, aber ohne Folgen. An meinem Wagen ist keine Schramme, und dein
Bike ist so fahrtüchtig wie zuvor.“
Tim grinste so breit wie er
konnte. „Stimmt.“
„Ich bin nicht von gestern.“
„Hätte ich nie angenommen, und
warum fahren Sie mich jetzt?“
„Weil du so nett geschwindelt
hast.
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