Opfer fliegen 1. Klasse
keinen
Umständen aufzufallen.
„Ich habe Müller gesehen“,
Gabys Stimme klang aufgeregt. „Er ist es tatsächlich. Und der andere... Von
hinten sah er wie Diepholz aus, obwohl ich dessen Fahndungsfoto nur von vorn kenne.“
„Die beiden sind es“,
bekräftigte Tim. „Kein Zweifel. Und sie wollen links abbiegen. Das ist die
Tempelstetter-Allee. Die führt aus der Stadt raus Richtung Bingweiler. Und hat
mindestens zehn verampelte Kreuzungen bis zum Bahnübergang. Das ist meine
Chance.“
„Was denn?“ rief Karl. „Willst
du hinterher?“
„Logisch.“
„Der BMW ist schneller als du.“
„Nur bei grüner Welle. Aber wo
gibt’s die noch? Ampeln sind dafür da, daß sie rot zeigen. An den Ampeln hole
ich den Wagen wieder ein. Ich muß feststellen, wohin sie wollen. Gaby, du rufst
deinen Vater an. Wenn ich abgehängt werde, treffen wir uns bei den Eberts.“
Gaby hielt an. „Sei
vorsichtig!“
„Klaro!“ Tim beugte sich tiefer
über den Lenker seines Rennrades.
Bei der Kreuzung sprang die
Ampel auf Grün, und der BMW bog nach links.
Tim begann zu spurten, hörte
aber noch, wie Gaby zu Karl und Klößchen sagte, man müsse unbedingt bei den
Eberts nachschauen. Vielleicht sei dort was passiert.
Ist durchaus möglich, dachte
Tim. Wahrscheinlich haben die Knackis den Wagen nicht gestohlen, sondern
geraubt. Und bei Raub ist immer Gewalt mit im Spiel.
Er sauste los. Etwa 50 Meter
trennten ihn von dem Fahrzeug. Zu dicht. Bestimmt waren TKKG von den
Verbrechern bemerkt worden, und jetzt durfte nicht mal der Anschein von
Verfolgung entstehen.
Tim ließ sich etwas
zurückfallen. Dann noch mehr, denn das Glück war mit ihm — die nächste Ampel
protzte mit ihrem Rot.
Der BMW hielt. Tim wurde von
einem Jeep überholt, der Wagen schob sich zwischen ihn und die Ausbrecher.
Besser konnte es nicht kommen.
Tim hatte sich das
BMW-Kennzeichen eingeprägt. Wohin wollten die beiden? Wo würden sie mehr
auffallen: in der Stadt oder im Umland? Hatten sie vor, sich erst mal in der
Landschaft zu verkriechen, bis die Erinnerung der Menschen an die
Fahndungsfotos verblaßt war?
Nächste Kreuzung. Der Jeep
überholte den BMW mit mindestens 80 km/h und brauste stadtauswärts.
Tim streifte sein T-Shirt ab
und knotete es um das Scheitelrohr direkt vor dem Sattel. Die Sonne heizte auf.
Auf nackter Haut war der Fahrtwind angenehm. Außerdem entstand für die Knackis
der Eindruck, daß da ein Rennradler sein Training abspulte und zufällig
denselben Weg hatte. Hinten am Sattel baumelte Tims grellrote Baseballcap. Er
setzte sie auf. Sie erfüllt zwar nicht die Normen eines Sturzhelms, auch nicht
die einer Tarnkappe — veränderte aber ein wenig das Bild des Verfolgers.
Vielleicht meinten die Knackis beim zufälligen Blick in den Rückspiegel, da
wäre jetzt ein anderer Biker.
Tim hielt Abstand. Es ging von
Kreuzung zu Kreuzung, immer geradeaus. Sie wollten die Stadt verlassen. Also
Richtung Bingweiler.
Sch... schade! dachte der
TKKG-Häuptling, während sich seine langen Beine mächtig auf die Pedale
streckten. Hinter der letzten Kreuzung beginnt die Landstraße. Da darf man 80
fahren, und die werden 100 vorlegen. Abhängen werden sie mich. Und bis die
Polizei hier ist, können sich die beiden sonstwo verkrümeln.
Die Gefahr bestand. Denn
Richtung Bingweiler gibt es zahlreiche Abzweigungen von der Landstraße,
außerdem Feldwege. Forststraßen und Wege für landwirtschaftliche Fahrzeuge.
Eine weite, abwechslungreiche Landschaft südwestlich der Stadt — mit
ungezählten Möglichkeiten zum Verstecken.
Letzte Kreuzung. Wieder Rot.
Der BMW stoppte auf der Geradeaus-Spur.
Tim lag mehr als 100 Meter
zurück. Sein braungebrannter, muskulöser Oberkörper war schon verschwitzt.
Enttäuschung kam auf. Er ließ sein Rennrad langsam laufen und schielte unter
dem Mützenrand nach vor. Gemächlich glitt der TKKG-Häuptling an geöffneten
Ausfahrten vorbei.
Rechts, auf Hecken gesäumtem
Asphaltboden, blitzte Sonne auf blauem Lack. Ein schmuckes Cabrio japanischer
Machart schoß hervor und zu rasch über den Gehweg zur Straße.
Tims Reflexe funktionieren
elektronisch schnell. Er hätte bequem abbremsen und den vorwitzigen Wagen vor
sich durchlassen können — und als Kavalier hätte er das unter anderen Umständen
auch getan.
Aber jetzt schoß ihm eine Idee
wie Adrenalin ins Blut, und schon setzte er sie in die Tat um, spielte nämlich
den Hechel-Biker mit langer Leitung und prallte, nur unvollkommen gebremst,
gegen das
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