Opfer fliegen 1. Klasse
Außerdem habe ich Schuldgefühle. Hast du es wirklich so eilig?“
„Ja, sehr. In der Beziehung
stimmt’s.“
„Ich frage, weil du eigentlich
nicht der Typ bist, der Anstrengung scheut und sich deshalb lieber fahren
läßt.“
„Da hat Ihre Menschenkenntnis
voll ins Schwarze getroffen, Frau Heike. Bequemlichkeit ist nicht mein Ding.
Aber auf meinem Bike kann ich strampeln so schnell ich will, Ihr Auto ist trotzdem
schneller.“
Sie hatten die langgestreckte
Kurve hinter sich. Die Landstraße lag vor ihnen, eine gerade Rennstrecke.
Felder zu beiden Seiten. Aber nicht mehr weit bis zum Auen-Wald, der sich bis
Bingweiler erstreckt.
Der BMW hatte etwa 400 Meter Vorsprung
und fuhr langsamer als die tempo-süchtige Heike.
Jetzt muß ich die Katze aus dem
Sack lassen, dachte Tim. Hoffentlich macht meine Chauffeuse nicht auf der
Stelle kehrt.
12. Verfolgung im Cabrio
Diepholz biß die Zähne
zusammen. Schweiß perlte auf seinem bleichen Fischhaut-Gesicht. Er war nervös
wie ein Bienenschwarm, den der Blitz trifft. Die langen Jahre ohne Fahrpraxis
zeigten dem Knasti jetzt seine Grenzen auf. Sicherlich — er konnte noch fahren:
Einmal gekonnt, immer gekonnt. Aber jeder km über 60 zerrte an seinen Nerven.
Und anmerken lassen durfte er sich nichts. Denn er beanspruchte die Führung in
ihrem Zweier-Verband. Bosko Müller war zwar erfrischend brutal, aber leider
auch doof. Ihm mußte man sagen, wo’s langgeht.
„Verdammt!“ Diepholz hielt das
Lenkrad mit beiden Händen umklammert.
Müller schälte gerade eine
Banane und leckte sich die etwas fruchtzucker-klebrigen Finger ab. „Was ist?
Ist doch nichts. Läuft doch alles bestens. Nicht eine Bullenkutsche haben wir
gesehen. Hahah!“
„Wir werden verfolgt“, sagte
Diepholz.
„Was?“
„Verfolgt! Wir... dreh dich
nicht um!“
Müller verschluckte sich an
seiner Banane, hustete sich den Bier-Einfüllstutzen frei und luchste in den
rechten Außenspiegel.
„Da ist nur ein blaues Cabrio
mit ‘nem Liebespaar drin. Sie fährt! Wahrscheinlich darf sie mal, weil Samstag
ist.“ Idiot! dachte Diepholz. Du bist so blöd wie deine Wurstlippen dick sind.
„Dir ist nichts aufgefallen, wie? Das ist nämlich kein Liebespaar.“
„Wie willst du das feststellen?
Mit bloßem Auge kann das keiner erkennen. Ja, wir brauchten ein Fernglas. Na,
immerhin haben wir die Pistole. Eine Browning ist... Wieso werden wir
verfolgt?“
„Als wir bei den Eberts
abrauschten, fuhren vier Kids auf Fahrrädern vorbei und…“
„Habe ich gesehen“, fiel ihm
Müller ins Wort. „Drei Bengels und ein süßes Blondinchen.“
„Die müssen uns erkannt haben.“
„Wen? Uns?“
„Uns. Denn der größte ist uns
gefolgt. Mit seinem Rennrad. Erstaunlich schnell dieser Bursche. Und diese
Ampel-Strecke — das kam ihm entgegen. Aber hier auf der Landstraße hätten wir
ihn abgehängt. Doch der Bursche ist umgestiegen. Vom Stahlroß in das blaue
Cabrio der Frau. Und nun folgen sie uns. Sie sind wie die Kletten.“
Müller leckte sich die Lippen.
Er hatte die Bananenschale hinausgeworfen. Jetzt starrte er wieder in den
Außenspiegel. Das Cabrio rückte näher.
„Wenn wir sie erschießen,
Eckhart“, schlug er vor, „sind wir sie los.“
„Hm, hm. Das muß es ja nicht
gleich sein. Aber wenn wir sie nicht abschütteln, ist es bald wieder aus mit
der Freiheit und mit dem Geldausgeben.“
„Dir ist schon was
eingefallen?“
„Ja, Bosko. Wir locken sie in
eine Falle.“
*
Tim setzte sich etwas schräg
auf den Beifahrersitz.
„Wohin ich wirklich will. Frau
Heike, weiß ich noch gar nicht. Bingweiler ist sicherlich nicht unser Ziel. Ich
habe keins. Denn es geht um Verfolgung. Ich verfolge den BMW dort vorn.“
Ihr überraschter Blick traf
ihn. „Du verfolgst den BMW? Weshalb denn?“
„Bitte, erschrecken Sie nicht.
Aber in dem Wagen sitzen zwei Schwerkriminelle. Zwei Ausbrecher. Es wurde über
alle Medien verbreitet. Sie sind gestern aus Sassvest getürmt: Eckhart Diepholz
und sein Komplice Bosko Müller. Ich habe die beiden im Vorbeifahren erkannt und
mich an die Rücklichter geheftet.“
„Um Himmels willen!“ flüsterte
sie. „Und jetzt ziehst du mich mit rein in dieses... dieses Abenteuer.“
„Nein, Frau Heike. Dazu kommt
es nicht. Sie sind ja nur mein... äh... Chauffeur.“
„Ich verfolge jetzt auch.“ Ihr
Lächeln war erloschen und der Teint etwas heller geworden. Außerdem lag der
rechte Fuß nun ohne viel Druck auf dem Gaspedal. Das Cabrio verlor
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