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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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»Die verteidigt Sie ja wie ein Wachhund.«
    »Ich hab sie irgendwann in den Griff gekriegt. So, hier geht’s lang.« Sie führte ihn durch viktorianische Arkaden an Juwelieren, Souvenir- und Modegeschäften vorbei.
    »Für den gehobenen Anspruch gibt’s hier nicht viel«, erklärte Francesca und rollte die Augen beim Anblick von Schaufensterpuppen mit Blumenkleidern, die wahrscheinlich schon ein halbes Jahrhundert dort standen. »Und wenn, dann findet man’s in der Altstadt.«
    Am Ende der Arkaden fürchtete Sean einen Augenblick lang, sie würde ihn zurück zu seinem Hotel mit dem schweren Geruch von Fleisch und Soße führen. Doch dann bog sie links in einen kleinen Durchgang ein, der sie zu einem Platz mit georgianischen Häusern führte.
    »Gucken Sie mal, da hinten.« Sie zeigte in Richtung einiger deutlich älterer Häuser, Reste der Stadtmauer und eines erhaltenen Turms. »Das ist das Tollhouse. Das alte Gefängnis. Da hat Matthew Hopkins, der oberste Hexenjäger, die Mädchen derGegend hingeschleift, um sie zum Geständnis zu zwingen.« Sie zog vielsagend eine Augenbraue hoch.
    Sean lachte höflich und fragte sich, ob sie mit diesem Charme auch ihre Mitarbeiter für sich gewonnen hatte, oder ob er nur ihm galt.
    »Da wären wir.« Sie blieb vor einem der Stadthäuser stehen, das in ein Restaurant umgewandelt worden war. Über der Tür hing ein cremefarbenes Schild, auf dem in schwarzen Buchstaben Paphos stand.
    »Ein Grieche«, stellte Sean fest.
    »Der beste der Stadt«, erwiderte Francesca. »In Ernemouth wohnen ziemlich viele Zyprioten.«
    Bevor sie die Treppe ganz hinaufgestiegen waren, hielt ihnen schon ein Mann die Tür auf. Er war groß, muskulös und hatte dichte, pechschwarze Haare und ein breites Grinsen mit perfekten geraden, weißen Zähnen. Er hätte fast ein Filmstar sein können.
    » Kalespera , Francesca«, sagte er, nahm ihre Hand und deutete eine Verneigung an. »Sehr erfreut, wie immer. Auch Sie sind herzlich willkommen, Sir«, fügte er hinzu.
    »Hast du …?«, setzte Francesca an.
    »Ja, Achillias hat Bescheid gesagt. Hier entlang, bitte.« Er führte sie an der Rezeption vorbei und eine Treppe hinauf in einen leeren Speisesaal, der absolut stilecht eingerichtet war: Mahagoni-Dielen, enteneiblaue Wände, schwere Vorhänge und sauber bezogene Tische mit silbernen Kerzenständern. »Ich hab euch den Tisch hier vorbereitet.« Er rückte einen Stuhl zurecht. Der Tisch stand in einem Erkerfenster mit Blick über den Platz. »Bis neun Uhr haben wir alle Reservierungen unten untergebracht.«
    »Danke Keri«, erwiderte sie und legte ihm die Hand auf den Arm wie bei Sean vorher. »Ich weiß das zu schätzen.«
    Keri sah sie mit der gleichen Bewunderung an wie vorher ihre Mitarbeiter. Er nahm beiden die Jacken ab und ließ sie mit Speise- und Weinkarte allein. Plötzlich merkte Sean, was für einen Hunger er hatte.
    »Trinken Sie einen Wein?«, fragte Francesca ihn über die Speisekarte hinweg.
    »Gerne«, erwiderte Sean. »Ich würd’ ein Glas Roten nehmen.«
    »Machen wir ’ne Flasche draus«, beschloss Francesca wie eine echte Veteranin. »Keine Sorge, die rechne ich als Spesen ab. Keri, bringst du uns eine Flasche Roten und einmal Mezes?«
    Sie wartete, bis der Kellner gegangen war, und wandte sich dann wieder Sean zu. »So, worüber wollen Sie denn nun mit mir sprechen?«
    Unter dem bohrenden Blick ihrer türkisfarbenen Augen lehnte Sean sich zurück, darum bemüht, entspannt zu wirken. »So einen Fall hatte ich noch nie«, erklärte er. »Und hier in der Ecke kenne ich mich überhaupt nicht aus. Da kann man so viele alte Zeitungsartikel lesen, wie man will, man kriegt davon doch nicht das richtige Gefühl für eine Gegend. Ich würde von Ihnen gerne wissen, wie es hier so ist.«
    »Aha.«
    »Kann ich zum Beispiel von allen hier in Ernemouth so einen Empfang erwarten wie von Ihrer Sekretärin?«
    »So ungefähr.« Sie nickte. »Pat vermittelt wohl einen ziemlich guten ersten Eindruck von der Stadt. Selbst kriegt man keinen Ton aus ihr heraus, aber sobald sie zu Hause ist, bringen die Neuigkeiten über den seltsamen Kerl, der heute im Büro war, die Telefonleitungen zum Glühen. Deshalb sollte dort niemand wissen, weswegen Sie hier sind. Über kurz oder lang finden die es natürlich heraus. Das ist die erste Regel von Ernemouth – hier haben die Wände Augen und Ohren. Ich wollte Ihnen nur einen kleinen Vorsprung verschaffen.«
    Sean nickte. »Hört sich gut an. Und was erzählen Sie

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