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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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Aber als Fremder in einer unbekannten Stadt war ein Verbündeter bei der Lokalzeitung ein notwendiges Übel. Außerdem hatte Mathers darauf bestanden und gesagt, Ryman würde sich als nützlich erweisen.
    Sie steckte ihren Laptop in ihre Aktentasche, schlüpfte in einen schwarzen Wollmantel und legte sich einen blassgelben Schal um den Hals. Als sie gingen, folgten ihr die Augen ihrer Mitarbeiter fast ehrfürchtig.
    »Schönen Abend, Pat«, sagte sie zur Rezeptionistin, die gerade den Gürtel ihres hellbraunen Regenmantels schloss.
    »Machen Sie’s gut«, erwiderte die Frau und warf Sean einen finsteren Blick zu.

6
    BANN
    September 1983
    »Heute möchte ich euch eine neue Mitschülerin vorstellen. Das ist Samantha Lamb. Sie kommt aus London, aber ihre Großeltern wohnen in Ernemouth, also ist sie hier keine Fremde. Ich verlasse mich darauf, dass ihr alles tut, damit Samantha sich hier wohlfühlt.«
    Mr Pearsons eisblaue Augen gaben den Schülern zu verstehen, dass sie es bereuen würden, wenn sie der Anordnung nicht nachkamen. Er war ein großer, hagerer Mann mit braunem Anzug, kragenlangem, gewelltem, braunem Haar und einer kühlen, fast vampirhaften Ausstrahlung, die die meisten seiner jugendlichen Schützlinge einschüchterte, selbst das untrennbare Halbstarkentrio Neal Reeder, Shane Rowlands und Dale Smollet – die das grausame Schicksal in alphabetischer Reihenfolg nebeneinandergesetzt hatte.
    Da das Halbjahr bei Samantha Lambs Ankunft schon eine Woche im Gange war, konnte sie leider nicht mehr per Nachnamen in die Sitzordnung eingefügt werden. Der letzte freie Schreibtisch stand neben Corrine Woodrow, die sowohl dem Namen als auch der Leistung nach die Klassenletzte war.
    »Samantha, setz dich doch bitte da hinten neben Corrine.«
    Nicht, dass Corrine irgendetwas Bösartiges an sich gehabt hätte. Wenn man ihren Hintergrund bedachte, war es ein kleines Wunder, dass sie überhaupt zur Schule ging. Deshalb ließ Mr Pearson ihr auch die neue Frisur durchgehen. Selbst wenn sie gerade wie so oft mit offenem Mund aus dem Fenster starrte und ein Bein zu irgendeinem Song in ihrem Kopf schwingenließ. Corrine drehte sich um und lächelte verwirrt, als die nervöse Neue auf sie zukam.
    »Arrogante Schlampe«, flüsterte Rowlands Reeder zu.
    Auch Dale Smollet hörte es. Zum Glück saß er vor seinen beiden besten Freunden, und sie hatten sein Gesicht nicht gesehen, als Samantha hereingekommen war und vor ihnen gestanden hatte, sich mit dem schiefen Zahn in die Lippe gebissen hatte, den Kopf geneigt, so dass ein Auge hinter dem goldenen Vorhang ihres Ponys verschwand, während der Blick des anderen verschreckt über die Klasse zuckte und schließlich auf dem Boden ruhen blieb. Dales Blick folgte ihren honigfarbenen Beinen entlang zu ihren langen, weißen Socken und ihren geschwungenen Knöcheln, und er biss sich selbst auf die Lippe.
    Die Blonde wirkte eingeschüchtert, was Corrine nicht weiter wunderte. Wenn man den alten Pearson zum ersten Mal erlebte, bekam man es schnell mit der Angst zu tun. Aber Corrine wusste, dass er eigentlich okay war, und lächelte aufmunternd. »Alles klar?«, fragte sie.
    »Hallo«, erwiderte das Mädchen, das immer noch besorgt wirkte, und legte ihre blau-pink gestreifte Stofftasche auf ihren neuen Tisch. Die Tasche gefiel Corrine. Sie hob die Klappe ihres eigenen Tischs und zeigte hinein, wo sie ihre Bücher und Stifte fein säuberlich angeordnet hatte. Innen an der Klappe klebte eine Seite aus Smash Hits : Madonna mit einem großen, schwarzen Kruzifix-Ohrring und Lidschatten in grellgelb und mauve.
    »Was du nicht brauchst, kannste da reinstopfen«, erklärte Corrine.
    Die Neue starrte sie nur an.
    »Und danach«, Mr Pearson war neben ihnen aufgetaucht, »mach dich bitte mit deinem Stundenplan vertraut.«
    Er gab Samantha ein Blatt Papier. Aufgrund ihrer Noten an ihrer alten Privatschule war sie in die höchste Leistungsgruppe eingeordnet worden, also würde Corrine sie nicht zu vielen Kursen begleiten können.
    »Deborah Carver«, Mr Pearson schaute quer durch die Klasse. »Du hast dieselben Kurse wie Samantha. Ich verlasse mich darauf, dass du ihr zeigst, wie sie überall hinkommt.«
    Debbie öffnete den Mund, aber die Worte kamen nicht gleich. Als sie die Neue angesehen hatte, hatte sie die Angst gepackt. Sie wusste nicht warum oder was mit ihr nicht stimmte. Später deutete sie diesen Augenblick als Vorahnung, dass über diesem schönen Vorzeigemädchen in Wirklichkeit eine schwarze

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