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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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künstlerischen Dingen so beiläufig überlegen und in Fleischesdingen so wild, dass seine anfängliche Erleichterung, doch normal zu sein, bald der bohrenden Frage wich, was »normal« eigentlich heißen sollte. Die Narben, die sie ihm bei jeder verbotenen Zusammenkunft zufügte – in dunklen Gassen, am Strand, einmal sogar auf ihrem Zimmerfußboden, während ihre Mutter unten Abendessen machte – pochten und juckten, als er an das andere Versprechen dachte, das er für diesen Abend gegeben hatte.
    Marc Farman sah ihn an. »Musst du nicht los?«, fragte er.
    Er wusste, wann die Bahn fuhr, Alex hatte ihm von dem Plan erzählt. Marc fand, dass sich das besser anhörte, als hier herumzuhängen.
    »Ich komm mit«, bot er an. »Ich krieg doch garantiert noch schwarz ’ne Karte.«
    Alex schaute auf den Minutenzeiger der Wanduhr und griff nach der Karte in seiner Tasche.
    »Komm jetzt«, sagte Marc.
    *
    Mit einem Teller Vol-au-Vents in der einen und einem Teller Sausage Rolls in der anderen Hand ließ Amanda den Blick überdas volle Wohnzimmer schweifen. Die Uhr auf dem Kaminsims verriet, dass es noch früh war, aber bisher war die Party ein voller Erfolg.
    »Ich darf ja eigentlich nicht«, sagte Mary Grimmer, eine Mutter aus Sammys Schule, als sie sich noch ein Krabben-Avocado-Canapé nahm, »aber die sind einfach zu lecker, Mands.«
    »Die hat Mum gemacht«, erwiderte Amanda. Dann etwas leiser: »Ein kleines Weihnachtswunder. Aber davon hatten wir ja dieses Jahr einige …«
    Ihr Blick wanderte weiter zum Erkerfenster, wo Edna in ihrer ganzen Pracht mit Schleife und getupftem Kleid dasaß wie die Premierministerin und sich bei Chips und Häppchen angeregt mit Wayne unterhielt.
    Sie hatte sich von einer Reihe von Begebenheiten überzeugen lassen. Das Haus erstrahlte zum Beispiel wieder im alten Glanz. Die Küche, beide Badezimmer und Sams Schlafzimmer waren nach der neuesten Mode renoviert, aber das Wohn- und Esszimmer hier unten hatten sie traditionell gehalten. Edna und Eric hatten mit Respekt zur Kenntnis genommen, wie schnell und gründlich sie und Wayne das Haus renoviert hatten. Sie hatten sich eingestehen müssen, dass die Beziehung der beiden beständiger war, als sie zunächst angenommen hatten.
    Die Deckenbalken und die alten Kamine waren freigelegt worden, und den Boden bedeckte ein luxuriöser, bordeauxroter Hochflorteppich. Die Essgruppe in Eiche glänzte genauso wie die Kristallgläser auf der Anrichte im Esszimmer, im Wohnzimmer standen pilzbraune Wildledersofas, und an den Wänden hingen Drucke von Jagdszenen aus dem Norfolk des neunzehnten Jahrhunderts.
    Eric gab den Jagdleiter und hatte alle Männer mittleren Alters in einem ehrerbietigen Halbkreis am Kamin um sich versammelt, wo er, einen Fuß auf dem Messing-Ofengitter und ein Glas Whisky in der Hand, seine Geschichten und schmutzigen Witze zum Besten gab. Neben ihm stimmte Samantha mit ins Gelächter ein.
    »Guck dir doch mal zum Beispiel die Kleine an«, setzte Amanda fort.
    Sams Haare sahen richtig plattgebügelt aus im Vergleich zu dem Vogelnest, das sie sonst auf dem Kopf trug. Sie hatte sich den Pony mit einer Spange zu einer Welle hochgesteckt, an die sie eine rote Lametta-Schleife geklemmt hatte, die restlichen Haare fielen ihr bis auf die Schultern und endeten in einer Außenwelle. Ihr schwarz-rotes Samtkleid reichte ihr bis über die Knie und hatte Puff-Ärmel, dazu trug sie eine schwarze Strumpfhose und spitze Wildlederstiefeletten. Auch ihr üblicherweise fingerdickes Make-up hatte sie auf einen dezenten Lidschatten und Lipgloss reduziert.
    »Sie sieht ja fast menschlich aus.«
    »Ach«, kicherte Mary, »du bist schlimm, Mands. Sie ist doch richtig süß in ihrem neuen Kleid.«
    »Ja«, stimmte Amanda zu. »Das ist ja das Faszinierende. Ich hab ihr gar nicht gesagt, dass sie sich schick machen soll, nur dass sie hierbleiben soll, bis Oma und Opa losmüssen, und dann kann sie selber abhauen und sich mit ihrem Süßen treffen. Das alles hat sie sich selbst ausgedacht …«
    Amandas Gesicht verfinsterte sich, als sie sich fragte, ob Sam für ihr Outfit das Weihnachtsgeld von Malcolm ausgegeben hatte. Viel war es dieses Jahr nicht gewesen, kein Wunder, dass sie den Ausverkauf hatte abwarten müssen.
    »Naja«, fuhr sie fort und verbannte ihren zukünftigen Ex-Mann aus ihrem Kopf, »bevor sie loszieht, verunstaltet sie sich bestimmt wieder.«
    Mary wieherte und flüsterte Amanda zu: »Ist deine Sammy denn noch mit Alex Pendleton

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