Opfer
Augen.
»Es geht um Alex, oder?«, vermutete Corrine. »Sie hat ihn sich geschnappt, wie sie’s gesagt hat, was?«
Debbie tupfte sich mit dem Finger den Eyeliner ab. »Ich hab ihn seitdem nur einmal gesehen, und da hat er mir überhaupt nicht zugehört. Wenn ich ihn jetzt anrufe, sagt seine Mum immer, er ist unterwegs. Aber nicht mit seinen Freunden. Letztes Mal, als wir Bully und Kris gesehen haben, haben sie gefragt, ob ich weiß, was mit ihm los ist, also geht er vielleicht auch nicht mehr ins Swing’s. Aber ich kann da einfach nicht mehr hin.« Ihre Stimme wurde härter. »Jetzt hat sie, was sie wollte.«
Eine Träne tropfte ihr von den Wimpern, als sie Corrine in die Augen sah. »Das hört sich vielleicht verrückt an, aber …« Sie versicherte sich, dass Darren und Julian immer noch beschäftigt waren. Sie hatte den Gedanken noch nie ausgesprochen und wusste nicht, ob sie wollte, dass ihr Freund ihn mitbekam.
»Bestimmt nicht«, bestärkte Corrine sie. »Ich weiß doch selber, wie dies ist.«
Debbie nickte. »Na ja, sie ist ja auf einmal so toll in Kunst, Witchells absoluter Liebling. Als hätte sie Al das ganze Talent ausgesaugt und in sich aufgenommen.« Debbie schnaubte über ihre eigenen lächerlichen Worte. »Ach, tut mir leid, Reenie, das hört sich total dämlich an, oder?«
Aber Corrines Gesicht war todernst geworden.
»Das ist überhaupt nicht dämlich«, erwiderte sie. »Das ist schwarze Magie.«
Corrine sah Debbie an, und in ihrem Kopf reifte eine Idee.
*
»Macht’s guuut! Frohes Neues!« Amanda und Samantha standen in der Tür und winkten Edna und Eric nach. Eric hatte eine Zigarre zwischen den Zähnen und hupte beim Abfahren einmal. Edna hauchte ihnen einen Abschiedskuss zu.
»Ich bin stolz auf dich, Sam«, sagte Amanda. »Du warst heute super mit Oma und Opa. Und du siehst echt toll aus. Warst du heute beim Friseur?«
»M-hmm.« Samantha nickte und wickelte sich eine schimmernde schwarze Strähne um den Zeigefinger. »Bei dem neuen in der Arcade. Da gab’s ’n Sonderangebot, fünf Pfund, da hab ich mir gedacht, wieso nicht.«
»Du lässt es aber wohl nicht so, oder?«
»Nein.« Sam grinste. »Aber das war’s wert, oder?«
»Absolut«, erwiderte Amanda, legte ihrer Tochter den Arm um die Schultern und drückte sie. »Dann geh mal los, das Ganze wieder kaputtmachen.«
Samantha kicherte und löste sich aus der Umarmung. »Ich hab mir damit was bewiesen«, sagte sie und starrte ihre Mutter mit offener Verachtung an. »Es ist nämlich schrecklich einfach, so falsch zu sein wie du.« Und damit rannte sie die Treppe hinauf.
*
Zum zehnten Mal in fünf Minuten schaute Bully zur Uhr hinauf.
»Dann kommt er wohl nicht«, sagte er.
»Kommt eigentlich nie zu spät«, stimmte Kris zu, zerdrückte seine leere Bierdose und warf sie in die Mülltonne. »Aber wenn wir die Bahn nicht nehmen … Oh, warte mal.«
Jemand kam durch das Drehkreuz und winkte ihnen zu. Wie Al trug er einen langen, schwarzen Mantel, war aber kleiner und stämmiger. Unter dem schwarzen Cordhut guckte eine rote Tolle hervor.
»Wartet!«, rief Marc Farman.
»Wo ist Al?«, fragte Bully und verzog das Gesicht.
»Im Swing’s«, keuchte Marc. »Hat gesagt, er hat heute keinen Bock auf Norwich, und hat mir seine Karte verkauft.«
Bully und Kris sahen einander an.
»War noch wer bei ihm?«, fragte Bully.
»Shaun und Bugs«, erwiderte Marc. »Aber er hat dauernd auf die Uhr geguckt.«
*
»Wo hast du dich denn versteckt, Al?«, fragte Shaun. »Wir haben dich ja ewig nicht gesehen.«
»Hab gearbeitet«, log Alex. »Für die Uni. Im zweiten Jahr legen die da richtig los.«
»Ach so«, sagte Shaun, für den Arbeit bedeutete, dass man tagein tagaus am Fließband stand und tote Puten aufschlitzte. »Hast da wohl viel zu tun.«
Alex nickte und dachte daran, wie oft er den Bleistift hochgehalten und mit dem Daumen die Proportionen ihres Gesichts vermessen hatte. Sein Blick schwenkte zur Uhr. Viertel vor neun.
»Hast du die kleine Debs mal wieder gesehen?«, fragte Shaun.
Alex rutschte auf dem Stuhl hin und her. Ihm wurde klar, dass Debbie jeden Moment durch die Tür kommen könnte. Er wollte sie nicht verletzen, konnte ihren verständnislosen Blick nicht ertragen. Er konnte es ihr ja genauso wenig erklären wie sich selbst.
»Tut mir leid, Shaun«, sagte er und stand auf, »aber ich muss jetzt los.«
Shaun konnte seiner Verwunderung nicht mal Ausdruck verleihen, da war sein Freund schon aus der Tür.
»Was hat der
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