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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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anderen in dieser Stadt.
    Er schüttelte dem älteren Mann die Hand und gab ihm seine Karte, die Gray mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis entgegennahm. Sean wartete neben dem Wagen, bis Gray über die Brücke verschwunden war, dachte an vaterlose Kinder und die Umstände, die seinen Angreifer in Meanwhile Gardens mit Corrine Woodrow und auch mit ihm selbst verbanden. An den Grund dafür, dass er oft zu Männern wie Gray und seinem alten Chief Superintendent Charlie Higgins aufschaute.
    Er wählte eine vertraute Nummer.
    »Charlie«, sagte er, als sein alter Chef abnahm. »Ein kleiner Gefallen um der alten Zeiten willen …«

22
    KOMPLIKATIONEN
    März 1984
    Julian durchstöberte das »S«-Fach bei Woolsey & Woolsey nach dem 12-Inch-Remix von Soft Cells »Numbers«, als hinter ihm jemand stehen blieb.
    »Interessant«, flüsterte sie, »dass du gerade die so toll findest.«
    Julian drehte sich um und blinzelte kurz, bis er erkannte, wer vor ihm stand. Samantha Lamb hatte ihr Äußeres wieder komplett verändert – jetzt hatte sie Corrines Frisur, die sie kürzlich nach der Schule so angestarrt hatte. Bloß war sie noch einen kleinen Schritt weitergegangen, um auch ja aufzufallen.
    »Wenn du mich fragst«, setzte Samantha fort und tippte mit dem Fingernagel auf Marc Almonds Gesicht, »der da ist ’ne Schwuchtel.« Sie riss die Mundwinkel hoch, aber ihre Augen blieben eiskalt.
    »Dich hat aber keiner gefragt«, erwiderte Julian und grinste zurück.
    Ihr Blick blieb starr. »Bist du ’ne Schwuchtel, Julian?«, fragte sie. »Ich frag nur, weil du wie eine aussiehst und weil ich dich noch nie mit ’nem Mädchen gesehen hab. Aber vielleicht« – sie wickelte sich eine frischgefärbte Strähne um den Finger – »steht ja auch einfach keine auf dich.«
    Julian verzog das Gesicht und trat einen Schritt zurück. »Was hast du eigentlich für ’n Problem?«
    Samantha kicherte. »Und was für eins hast du?« Sie zwinkerte ihm zu, drehte sich um und verließ den Laden.
    *
    Amanda sprang auf, als sie die Haustür aufgehen hörte. Sie wartete schon seit Stunden auf ihre Tochter. Die Minuten zogen sich in die Länge und ihre Nerven lagen blank – vor allem, weil der Arzt ihr das Rauchen verboten hatte, als er ihr die Neuigkeiten verkündete, über die sie schon seit einer Woche mit Sam reden wollte. Vier Kippen, eine für jede Stunde, hatte sie mit schlechtem Gewissen in den Mülleimer geworfen. Das Zimmer stank nach Lufterfrischer, dessen synthetische Note den JPS-Rauch nicht ganz kaschieren konnte.
    Wayne hatte ihr beistehen, mit ihr zusammen eine geschlossene Front gegenüber Sam bilden wollen. Aber Amanda wusste, wie das ausgegangen wäre. Sie hatte Rücksicht auf die Gefühle ihrer Tochter nehmen wollen und ihr den Friseur ausgegeben, ein Versuch, sie etwas milder zu stimmen, der ihr doch nur wieder als »Falschheit« und Bestechung vorgeworfen werden würde. Einfach würde es bestimmt nicht werden.
    »Hallo, Sam«, sagte sie und stockte. Samanthas Haare standen oben ab wie bei einer Klobürste, und an den Seiten waren sie komplett abrasiert.
    »Was hast du denn gemacht?«, keuchte Amanda.
    »Gefällt’s dir?« Samanthas Augen blitzten, und sie drehte eine kleine Pirouette.
    »Nein«, erwiderte Amanda. »Willst du von der Schule fliegen, oder was?«
    »Oh.« Samantha klappte gespielt unschuldig die Kinnlade herunter. »Warum sollte ich so etwas wollen?«
    Amanda biss die Zähne zusammen. »Ich muss mit dir reden, Sam. Komm mal eben mit ins Wohnzimmer.«
    Samantha hob die Nase. »Tut mir leid, aber ich bin spät dran. Ich treff’ mich gleich mit Alex und wollt’ nur eben was holen. Kannst es mir auch später sagen, so wichtig wird’s ja wohl nicht sein.« Sie wollte an ihrer Mutter vorbeigehen.
    »Nein.« Amanda hielt Samantha am Arm fest. »Wir müssen jetzt sofort reden.«
    Samanthas Kopf wurde knallrot, und sie schubste Amandaweg, dass sie fast stolperte. »Hast du das nicht kapiert?«, zischte sie. »Ich bin mit Alex verabredet und hab keine Zeit für so was.«
    Amanda hielt sich am Türrahmen fest – von dem Stoß war ihr fast schwindlig geworden. »Samantha!«, schrie sie. »Du kommst jetzt mit, oder …«
    »Oder was?« Samanthas funkelnde Augen musterten ihre Mutter mit offener Verachtung. »Bist du eifersüchtig oder was? Weil mein Freund tausendmal schlauer ist und besser aussieht als deiner?« Sie grinste. »Und weil er älter ist als ich? Mal was ganz Neues, oder?«
    Amanda hörte es klatschen, bevor sie

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