Opfer
einen Sinn.
Rivett hatte jemanden über die Hafenmauer gewuchtet, sich dann umgedreht und vor der Statue von Admiral Nelson salutiert.
29
BLUTMOND
März 2003
Sean saß in seinem Wagen hinter dem Steuer und hörte die Mailbox ab. Mathers hatte alles erhalten, sogar schon die DNA-Probe, die er am Bahnhof übergeben hatte, bevor er zu Sheila gefahren war. Die Probe wurde gerade im Labor analysiert. Auch Charlie Higgins hatte sich bei ihm gemeldet. John Brendan Kenyon tauchte nirgends in der Police National Database auf, also gab es keine chemischen Spuren von Noj, die mit den Beweismitteln abgeglichen werden konnten. »Pass auf mit den Bauernjungs da draußen, okay?«, hatte Higgins noch besorgt angemerkt.
Sean sah auf die Uhr am Armaturenbrett. Genug Zeit für einen Anruf, bevor er los musste. Während die Verbindung aufgebaut wurde, fragte er sich, wo Francesca wohl war. Sheila hatte ihm im Gehen verraten, dass sie nicht weit von ihr wohnte. Sie lebte mit ihrem Vater in einem Haus am Brydon Water und ging immer mit ihren Hunden am alten Marschdeich spazieren.
Aber als sie abnahm, war um sie herum die geschäftige Redaktion zu hören.
»Ich geh eben mal nach draußen, da kann ich dich besser verstehen«, sagte sie. »Und, hast du einen interessanten Nachmittag hinter dir?«
»Auf jeden Fall«, erwiderte Sean. »Und du?«
»Tja, mich hat ein sehr sturer Pressesprecher hingehalten«, erklärte sie. »Unser Mann ist zur Zeit angeblich zu beschäftigt für ein Interview. Aber keine Angst, ich hab meine Zeit sinnvoll genutzt.« Der Hintergrundlärm ließ nach, und Sean stellte sich vor, wie sie die Treppe hinunterging und Pat die Augen zusammenkniff, als sie an ihrem Schreibtisch vorbeikam.
»Mein alter Kollege aus London hat etwas gefunden«, fuhr Francesca fort. »Sowohl zu den Geschäften des Leierkastenmanns als auch zu denen des Affen. Ich krieg die Daten heute Abend.« Jetzt hallte ihre Stimme etwas, sie war wohl ins Treppenhaus gegangen. »Ich hab ihm gesagt, er soll mir das Ganze lieber nach Hause schicken und nicht hierher. Kommst du dann später vorbei?«
»Ja«, sagte Sean, »das wäre sinnvoll. Ich weiß bloß noch nicht, wie spät es wird. Ich bin jetzt auf dem Weg zur Wache, und danach hab ich noch einen Termin.«
»Macht nichts. Ruf mich einfach an, wenn du fertig bist, und ich erklär dir den Weg. Ist ein Stück ab vom Schuss.«
Sean kribbelte es im Nacken, was nicht an der Kälte lag, sondern am Gefühl, beobachtet zu werden. Er drehte sich zum Haus um. Sheilas Katze saß vor der Tür im Licht der Lampe, die die Sozialarbeiterin für ihren Mann angelassen hatte, leckte sich eine Pfote und starrte ihn an – in ihren Augen spiegelten sich die Rücklichter seines Wagens wie zwei orangefarbene Monde.
»Bist du noch dran?«, fragte Francesca.
»Ja.« Sean drehte sich wieder nach vorne und schüttelte den Kopf. »Ja, alles klar. Ich meld mich dann bei dir. Pass auf dich auf, Francesca.«
»Mach’ ich«, erwiderte sie leicht erheitert. »Bis dann, Sean.«
*
Sean fuhr von Sheilas Auffahrt und den kleinen Feldweg entlang, der zur Landstraße führte. Kurz vor der Kreuzung wurde er plötzlich von Scheinwerfern geblendet. Ein Land Rover bog wankend ab und wich mit zwei Rädern auf den Grasstreifen aus, als er ihn sah. Sean riss das Lenkrad nach rechts und fuhr ein Stück weit die Böschung hoch, so dass Brombeere undWeißdorn über seine Seitenfenster kratzten. Die beiden Autos kamen gerade so aneinander vorbei, und der andere Fahrer hob zum Dank die Hand. Sheilas Mann? , fragte Sean sich. Aber er hatte das Gesicht nicht gesehen.
*
Francesca kam die Treppe hinauf und sah ihrer Sekretärin in die Augen. Pat war gerade am Telefon, ernster Gesichtsausdruck, die Mundwinkel gesenkt. Sie erwiderte Francescas Lächeln nicht, sondern sprach untypisch leise weiter.
»In Ordnung«, hörte Francesca sie sagen. »Ja, mach’ ich.«
Als Francesca zurück an ihren Schreibtisch kam, blinkte das Licht an ihrem Telefon, das einen Anrufer in der Warteschleife ankündigte.
*
Noj saß im Dunkeln, nur ein flackernder Kerzenkreis spendete Licht. Schwarz zum Bannen, Formwandeln, zur Abwehr von allem Negativen und zum Schutz. Violett für das dritte Auge, für mediale Fähigkeiten, verborgenes Wissen und spirituelle Ruhe. Blau für Weisheit, für Schutz, für die Öffnung verschlossener Kommunikationswege und für die spirituelle Inspiration.
Sie hatte sie alle mit ihren Lieblingsölen benetzt. Blumen- und
Weitere Kostenlose Bücher