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Opfere dich

Opfere dich

Titel: Opfere dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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er könnte ihr ins Bein schießen. Die Verletzung wäre nicht lebensgefährlich, sondern würde sie nur außer Gefecht setzen, so dass er später doch noch seinen Spaß mit ihr haben konnte.
    Doch dann spürte sie die Mündung zwischen ihren Schulterblättern. Er stand jetzt direkt hinter ihr. Sie konnte die Wärme seines Körpers spüren, schlotterte jedoch noch mehr als zuvor. Ihre Hand krampfte sich um die Zigarettenpackung und quetschte sie zusammen. Den Glimmstengel ließ sie achtlos fallen. Der Boden war so feucht, dass er sofort erlosch. Sie nahm sich vor, ihre Waffe ab sofort immer am Körper zu tragen, selbst wenn sie ein Cocktailkleid anhatte.
    „Du zitterst.“
    Hörte sie Genugtuung heraus? „Mir ist kalt.“ Das entsprach der Wahrheit. Aber nur zur Hälfte.
    „Das schwarze Kleid steht dir gut. Es lässt dich femininer aussehen als die Kleidung, die du im Dienst trägst.“
    Storm glaubte seine Hand an ihrem Rücken zu spüren, wie sie ihre Wirbelsäule hinabglitt. Aber die Berührung war kaum spürbar. Sie mochte Einbildung sein, oder es war nur der Wind. „Ich bevorzuge funktionelle Kleidung. Heute Abend spiele ich nur eine Rolle. Ich fühle mich verkleidet.“ Es war ein jämmerlicher Versuch, ihn davon zu überzeugen, dass sie nicht in sein Beuteschema passte.
    „Ich weiß genau, wie du dich fühlst“, sprach er leise und bedächtig. Er klang wie ein verständnisvoller Freund. „Die Erwartungen von Eltern sind schwer zu erfüllen.“
    „Was wissen Sie eigentlich noch alles über mich?“ Sie erschrak über die Heftigkeit ihrer Reaktion und nahm sich vor, sich mehr zu beherrschen. Absichtlich siezte sie ihn. Es war keine Respektsbekundung, sondern sie wollte Distanz wahren.
    „Alles. Ich beobachte dich schon so lange …“ Sein Atem kitzelte ihren Hals, als hätte er sich vorgeneigt, um den Duft ihres Parfüms einzuatmen. „Mein Verlangen schmerzt beinahe. Ich wünschte, du würdest dich entscheiden, bald auf meinen großzügigen Vorschlag einzugehen.“
    Storm bekam eine Gänsehaut. Vor ihrem geistigen Auge tauchte Megan Cropps auf, wie sie auf dem Seziertisch lag, nackt und gefesselt. Ihr Gesicht verschwamm und wurde zu Storms. Sie sah sich selbst dort liegen und schauderte.
    Es wunderte sie, dass der Wachsmörder sie nicht einfach niederschlug. Sie waren allein. Er war im Vorteil. Nur seine krankhafte Fantasie, in der sie freiwillig zu ihm kam, damit er sie zu Tode quälen konnte, hielt ihn noch davon ab. Seine Konsequenz und Selbstbeherrschung waren auf perfide Weise beeindruckend. Doch sie ahnte, dass beides mit der Zeit bröckeln und der Moment kommen würde, an dem sein Drang, sie zu besitzen, zu groß wurde. Dann würde er beschließen, sich einfach zu nehmen, was er schmerzlich begehrte. Und es war offensichtlich, dass ihr und der Soko nicht mehr allzu viel Zeit blieb, um den Killer zu fassen.
    „Das wird nie geschehen“, antwortete sie mit fester Stimme. Sie durfte keine Schwäche zeigen, damit er nicht triumphierte. Decker kam ihr in den Sinn. Sicherlich parkte er noch am gegenüberliegenden Straßenrand, trommelte mit den Fingerspitzen zu irgendeinem Gedudel aus dem Radio auf das Armaturenbrett und langweilte sich zu Tode.
    Er lachte leise. „Das werden wir ja sehen. Die Zeit verändert vieles. Menschen wandeln sich. Meinungen geraten ins Wanken. Bis du so weit bist, weiß ich mich zu beschäftigen.“
    Storm biss sich auf die Unterlippe, weil die Sorge um Megan Cropps sie auffraß. Doch sie fragte nicht, ob Megan noch lebte, sondern versuchte mehr über ihn zu erfahren. „Welche Erwartungen hatten denn Ihre Eltern an Sie?“
    „Du willst mich aushorchen.“
    „Sie haben angefangen, über Eltern zu sprechen.“ Roch er nach Vanille oder bildete sie sich das nur ein?
    Eine kurze Pause entstand. Dann sagte er: „Eltern wollen Kinder nur so hinbiegen, wie sie sie gerne hätten. Ist es nicht so? Sie beabsichtigen, ihr Kind nach ihrem Abbild zu erziehen, weil sie sich perfekt finden, aber das klappt nie. Mütter begreifen nicht, dass Kinder einen eigenen Willen haben, eigene Ziele und Wünsche. Es gibt Ärger. Das gibt es immer. Aber Mütter haben ihre Methoden, sehr überzeugend zu sein.“
    „Welche Methoden?“ Ihr war sehr wohl aufgefallen, dass er von „Mütter“ und nicht mehr von „Eltern“ sprach.
    Er schnaubte und ließ sie die Mündung seiner Waffe wieder spüren. „Glaube ja nicht, dass ich dumm bin, Storm. Du kannst mich nicht ausfragen. Ich bin kein

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