Opfere dich
gespreizten Beine ragten in die Höhe. Seine verkrampften Hinterbacken. Sein Aufschrei, das glückliche Lächeln auf seinem Gesicht. Gegen solch ein Geburtstagsgeschenk war Storms Plan lächerlich gewesen. Sie war gegangen, für immer.
„Lass uns morgen Abend essen gehen. Hier ist nicht der richtige Ort, um darüber zu sprechen.“ Er legte die Hände an ihre Oberarme und zog sie zu sich.
Diese vertraute Geste war ihr zu viel. Sie riss sich los und machte einen Schritt zurück. „Es gibt nichts zu reden.“
„Du bist stur und nachtragend.“
„Ja, verdammt“, zischte sie leise, weil einige der Gäste schon zu ihnen herübersahen. „Und ich fluche zu viel.“ Dann ließ sie ihn einfach stehen.
Hatte sie auch mit viel Gegenwind zu kämpfen, so tat sie doch immer, was sie wollte. Storm hatte keine Lust auf einen Job bei Scrapticon und keine Lust auf einen Neuanfang mit Gil. Sie würde ihre Haare nicht lang wachsen und auch keine blonden Strähnchen machen lassen. Auf keinen Fall würde sie ihre Haare aufhellen. Dem Wachsmörder gefielen Blondinen.
Der Wunsch nach einer Zigarette wurde übermächtig. Storm holte ihre Schachtel Lucky Strike aus ihrer Handtasche und eilte auf die Terrasse. Die Nacht war kühl, aber wenigstens trocken, und hier draußen bekam sie endlich wieder Luft. Sie atmete tief durch. Manchmal drohte ihr Elternhaus sie zu ersticken. Sie liebte Teresa und Jasper, aber Storm würde nie ein entspanntes Verhältnis zu ihnen haben. Dafür waren sie zu verschieden. Doch in Notsituationen war der eine immer für den anderen da. Wenigstens etwas.
Storm schlenderte über den Rasen hinunter bis zum Ufer des Lake Michigan. Der Garten war klein und wenig bepflanzt. Ihre Eltern legten mehr Wert darauf, dass der parkähnliche Vorgarten imposant war, weil ihn jeder von der Straße aus sehen konnte.
Während sie ihren Blick über den Michigansee schweifen ließ, der wie ein Süßwassermeer wirkte, fingerte sie das Feuerzeug, das sie immer in die Packung steckte, sobald Platz war, zwischen den Zigaretten hervor. Sie zündete eine Lucky Strike an, zog und inhalierte den Rauch tief. Die Gartenbeleuchtung war ausgeschaltet. Das Licht aus dem Haus drang spärlich bis zum Ufer. Das Ende ihrer Zigarette glomm rot auf, wenn sie daran zog. Die kühle Brise, die die Wasseroberfläche kräuselte, ließ Storm frösteln, und sie bereute es, ihren Mantel nicht übergezogen zu haben. Sie rieb bibbernd ihre Oberarme.
„Soll ich dich wärmen?“, fragte eine Männerstimme hinter ihr.
Storm erstarrte. Sie erkannte die Stimme wieder. Sie hätte nicht gedacht, dass sie sich so gestochen scharf daran erinnern würde, und Lobster hatte gemeint, es wäre unmöglich, eine Stimme aus Tausenden herauszuhören – aber Storm wusste, dass sie sich nicht irrte.
Es war der Anrufer.
Der Wachsmörder.
Der Serienkiller.
Und er stand genau hinter ihr.
„Dreh dich nicht um“, warnte er sie. „Ich halte eine Glock in der Hand – und sie ist auf deinen Rücken gerichtet.“
6.
Storms Magen rebellierte. Sie hätte den Champagner nicht so schnell herunterkippen sollen. Nein, sie hätte ihn gar nicht trinken sollen. Ein Detective musste immer einen klaren Kopf behalten. Die Erinnerung an Malcolms Frage kehrte zurück. „Machst du eigentlich nie Feierabend?“ Offensichtlich nicht. Man ließ sie ja nicht.
Storm horchte auf. Sie hatte keinen blassen Schimmer, ob er tatsächlich eine Waffe hatte oder nur bluffte. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Wenn sie sich nur schnell genug umwandte, konnte sie das Überraschungsmoment ausnutzen und ihm in die Weichteile treten. Aber rechnete er nicht genau damit? Sie war keines seiner normalen Opfer, sondern ein Cop.
Grübelnd kaute sie auf ihrer Unterlippe herum. Würde jemand im Haus sie hören, wenn sie schrie? Nein, das war dumm. Es würde zu lange dauern, bis man auf sie aufmerksam wurde. Bis dahin konnte sie bereits tot sein – oder niedergeschlagen und verschleppt.
Sie schaute sich um. Es gab kein Gebüsch oder einen Baum, hinter das sie fliehen konnte, um Schutz vor den Kugeln zu suchen. Der Garten war zu minimalistisch angelegt und sowieso kahl zu dieser Jahreszeit.
Als er weitersprach, schrak sie aus ihren Gedanken hoch. „Du glaubst mir nicht, habe ich recht? Du nimmst mir das mit der Glock nicht ab.“
Sie entschied, ehrlich zu antworten. „Ich weiß es nicht.“
„Ich werde es dir beweisen.“
„Das ist nicht nötig“, beeilte sie sich zu sagen. Sie befürchtete,
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