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Opfere dich

Opfere dich

Titel: Opfere dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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Straßenbetrüger, der Passanten mit dem Hütchenspiel hereinlegt. Ich habe mehr drauf, als drei Nussschalen hin und her zu schieben.“
    Sie ermahnte sich, ihn nicht wütend zu machen. Mit Ehrlichkeit würde sie am weitesten kommen. „Das würde auch nicht dem Profil entsprechen, das wir von Ihnen entworfen haben: Sie haben einen guten Job, verdienen ausreichend Geld und genießen hohes Ansehen.“ Und er war stolz darauf, ein bekannter Serienkiller zu sein.
    Nun lachte er wieder. Er hatte sich entspannt. „So oder so ähnlich.“
    „Ich bin nicht wie Ihre anderen Opfer.“ Da war er wieder, der Drang, sich verteidigen zu müssen, und der Wunsch, ihn von seinem Fokus auf sie abzubringen.
    „Das sagen sie alle.“ Er seufzte selbstzufrieden. „Dabei mache ich mir vorher solch eine Mühe, sie schon im Voraus kennenzulernen. Ich suche mir meine Frauen gründlich aus. Ich weiß genau, was ich will.“
    „Ich bin adoptiert.“ Weil er schwieg, befürchtete sie, dass er ihr nicht glaubte, und fügte hinzu: „Teresa und Jasper nahmen mich bei sich auf, als ich fünf Jahre alt war.“
    „Fünf?“ Seine Stimme hatte sich verändert. Sie klang beinahe schrill.
    „Meine Eltern waren bei einem Brand gestorben. Sie wohnten in einem Hochhaus. Eine Sechzehnjährige hatte an diesem Morgen die Sachen ihres Exfreundes – Fotos, ein T-Shirt und solches Zeug –, der gerade mit ihr Schluss gemacht hatte, in ihrem Mülleimer verbrannt. Die Flammen hatten auf ihr Zimmer übergegriffen, und bald brannte die ganze Wohnung, dann das Erdgeschoss. Es gab keinen Fluchtweg für meine Eltern, die im dritten Stock wohnten. Ich war damals noch ein Baby. Sie warfen mich in letzter Sekunde aus dem Fenster. Ein Feuerwehrmann fing mich auf. Für sie selbst gab es keine Rettung.“ Ihre Augen wurden feucht. „Teresa und Jasper mögen nicht die warmherzigsten Eltern auf der Welt sein, aber sie sind alles, was ich habe.“
    „Nein, jetzt hast du mich. Ich werde für dich sorgen.“
    Ihr Herz pochte schneller. Storm kannte seine Art der Fürsorge, sie endete tödlich. „Du kannst meine Eltern nicht ersetzen“, sagte sie mit Nachdruck und vermied zu konkretisieren, ob sie ihre leiblichen oder ihre Adoptiveltern damit meinte.
    „Hast du mir die Geschichte mit der Absicht erzählt, um mein Mitgefühl zu erregen?“ Er schnalzte tadelnd. „Ich kenne kein Mitleid, nicht mit meinen Opfern, und du wirst mein letztes werden, mein wichtigstes.“
    „Niemals!“, zischte sie und wollte sich herumdrehen, doch er stieß ihr die Mündung zwischen die Schulterblätter.
    „Mein Spiel hat erst begonnen.“
    „Ich spiele aber nicht mit.“
    „Das tust du doch schon“, sagte er, und es lag ein Lächeln in seiner Stimme. „Du fürchtest dich vor mir.“
    Er hatte recht, stellte Storm mit Schrecken fest. Sie war ihm schutzlos ausgeliefert und fühlte sich – wie ein Opfer. Verteufelt noch mal, du bist Detective, rief sie sich ins Gewissen und straffte ihre Schultern.
    Erste Regentropfen fielen geräuschlos auf sie herab. Der Himmel war schwarz. Gleich würde es wie aus Kübeln schütten. Mal wieder. Durch die großen Seen war es im Great Lake State maritim-feucht, und das Klima schwankte zwischen Extremen. Die Sommer waren sehr heiß, die Winter sehr kalt und schneereich. Dazwischen gab es nur eins: viel Regen.
    „Gilbert Pinewood.“
    Storm horchte auf. „Woher kennen Sie seinen Namen?“
    „Ich habe durch die Terrassentür beobachtet, wie er dich belästigt hat. Du gehörst mir!“ Er machte eine kurze Pause. Sein Atem beschleunigte sich. „Soll ich deinen Ex für dich töten?“
    Danach schwieg er, und auch sie sagte nichts. Schließlich hörte sie Schritte. Schritte, die sich entfernten. Storm spürte die Mündung der Waffe nicht mehr in ihrem Rücken, den Atem des Killers nicht mehr an ihrem Hals. Zurück blieb Entsetzen. Sie zerdrückte die Zigarettenpackung in ihrer Hand fast und schnellte herum. Hinter ihr stand niemand. Der Wachsmörder war so unmerklich wieder verschwunden, wie er aufgetaucht war.

7.
    Die halbe Nacht hatte die Spurensicherung den Garten der Harpers untersucht, doch der strömende Regen hatte alle Beweise, dass der Wachsmörder dort gewesen war, weggespült. Am folgenden Morgen waren noch einmal einige Officer ans Ufer des Sees zurückgekehrt, um den Garten bei Tageslicht zu untersuchen, aber alle hatten wenig Hoffnung, verwertbare Spuren des Killers zu finden. Es hatte zwar aufgehört zu regnen, aber der Boden war

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