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Opfere dich

Opfere dich

Titel: Opfere dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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für dieses Event angestellt hatte, der die Tür öffnete und die Gäste empfing, aber sie hatte sich geirrt, denn Teresa Harper persönlich machte ihr auf. Ihre Mutter trug ein champagnerfarbenes Taftkleid mit einem Dekolleté, das für ihr Alter gewagt war.
    „Hallo, Mom“, begrüßte Storm sie.
    „Hallo, Darling.“ Teresa Harper küsste sie rechts und links an der Wange vorbei, als wäre Storm eine Freundin aus der Bussi-Bussi-Gesellschaft und nicht ihre Tochter. Aber das tat sie nur, wenn sie in Gesellschaft waren.
    Affektiertes Gehabe, so nannte Storm es, spielte jedoch artig mit.
    „Hast du geraucht?“ Ihre Mutter verzog angewidert ihr Gesicht. „Dein Atem stinkt, auch dein Kleid und deine Haare. Außerdem, wer raucht, altert schneller.“
    „Ich altere höchstens durch meinen Beruf schneller als andere.“ Storm war jetzt schon genervt. Sie stellte ihre Handtasche auf den Garderobenschrank neben eine flache Glasschale, in der Duftkerzen schwammen, und wurde sofort daran erinnert, dass der Serienkiller seine Opfer mit Kerzenwachs, das nach Vanille duftete, folterte und tötete. Rasch drehte sie sich weg und fand sich in den Armen ihres Vaters wieder. Er roch nach einem Gemisch aus Zigarren und Cognac.
    „Den hast du dir selbst ausgesucht“, meinte ihr Dad. Wie immer folgten Vorwürfe. „Du hast den Polizeidienst einer Anstellung in der Verwaltung von Scrapticon vorgezogen, dabei wäre der Job sauberer, sicherer und besser bezahlt gewesen.“
    „Ich weiß“, erwiderte Storm erschöpft. Sie hatte keine Lust auf Diskussionen. Der fehlende Schlaf und die aufreibende Entwicklung des Falls machten sich bemerkbar. Michigan war bekannt für seine Automobilindustrie, und ihr Dad hatte ein kleines Vermögen mit Fahrzeugentsorgung und Autoverwertung gemacht. Auf den Begriff „Schrotthandel“ reagierte er allergisch. Aber Storm konnte sich weder vorstellen, den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen, noch, mit ihrem Vater zusammenzuarbeiten.
    Ihr Vater hielt Daumen, Zeige-und Mittelfinger hoch. „Drei verdammt gute Gründe, deine Entscheidung zu überdenken. Ich habe deinen Anstellungsvertrag immer in der obersten Schublade meines Schreibtischs, falls du doch noch deine Kündigung beim PD einreichst.“
    Lächelnd reichte Teresa ihr ein mintgrünes Bonbon.
    „Fort Twistdale braucht mich.“ Storm betrachtete das Pfefferminz in ihrer Hand. „Als Detective.“
    So leicht gab Jasper Harper nicht auf. „Warum gerade dich? Es gibt andere Cops.“
    „Weil ich gut bin und weil ich meinen Job mit Leidenschaft ausübe“, rechtfertigte sie sich zum tausendsten Mal und wusste jetzt schon, dass sie diese Debatte nicht zum letzten Mal führen würden. Sie steckte das Pfefferminzbonbon in den Mund, um des lieben Friedens willen.
    „Und warum hast du den Wachsmörder noch nicht geschnappt?“, fragte ihr Vater bissig.
    „Wir sind ganz nah an ihm dran.“ Oder er an mir, fügte sie in Gedanken sarkastisch hinzu. Sie kam sich vor wie ein Köder wider Willen und warf einen kurzen Blick auf ihre Handtasche. Ihre Waffe lag zwischen Portemonnaie, Autoschlüssel und Zigarettenschachtel, weil sie im Cocktailkleid kein Holster tragen konnte, ohne aufzufallen. Wenn ihre Eltern davon wüssten, würden sie Storm wahrscheinlich bitten zu gehen. Und vielleicht hätten sie mit dieser Reaktion sogar recht.
    „Hat er dich wirklich bedroht?“ Die Stimme ihrer Mutter war gedämpft. Sie kratzte sich an der Wange, damit es den Gästen, die nur wenige Schritte entfernt im Korridor standen, nicht auffiel, dass sie ihre Hand vor den Mund hielt. „Hab ich in den Iona County News gelesen.“
    Storm schob das Bonbon in die rechte Wangentasche. „Hier wird er mir nichts tun. Das wäre zu öffentlich.“ Eher würde die Hölle zufrieren, als dass sie ihren Eltern von dem perfiden Angebot des Serienkillers erzählte. Das würde sie krank vor Sorge machen, und sie würden ihr noch mehr zusetzen, damit sie kündigte.
    „Da war auch ein sehr unvorteilhaftes Foto von dir abgedruckt. Du solltest dir wirklich die Haare lang wachsen lassen. Und blonde Strähnchen empfehle ich dir. Dein Kurzhaarschnitt sieht so burschikos und fade aus.“ Ihre Mom fuhr mit ihren Fingerspitzen durch Storms Haare, als wäre sie neun Jahre alt.
    Jasper Harper verzog das Gesicht. „Wie eine Lesbe. Nur Lesben haben kurze Haare.“
    Storm lag es auf der Zunge zu erwidern, dass es Männer gab, die auf Frauen mit Kurzhaarfrisuren standen. Der Wachsmörder zum Beispiel.

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