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Cropps’ Leiche vermutete, dass der Leichnam in einem geschlossenen, aber nicht beheizten Raum gelegen hatte. Fehlanzeige. Sie fanden keinen weiteren Hinweis außer dem Mobiltelefon und dem Diktiergerät. Der Wachsmörder musste die Frauen an einem anderen Ort festgehalten haben. Das PD behielt den Fund des Aufnahmegeräts für sich, damit der Sheriff sie ziehen ließ und sich nicht in den Fall einschaltete. Ein Kompetenzgerangel war jetzt das Letzte, was die Soko brauchte. Das FBI würde ihnen ohnehin bald ihre Hilfe aufzwingen.
„Er hat uns wieder nur zum Narren gemacht, indem er uns in den Nationalpark gelockt hat“, sagte Storm auf der Rückfahrt nach Fort Twistdale. Sie zündete sich eine Zigarette an und kurbelte das Seitenfenster ein Stück herunter.
Malcolm brummte. „Vielleicht hat er uns auch aus der Stadt weglocken wollen.“
„Du meinst, weil er dort etwas vorhat?“, hakte sie nach. Kräftig zog sie an ihrer Lucky Strike und blies den Rauch aus der Fensteröffnung. „Ja, du hast recht. Fast alle Polizisten aus Fort Twistdale wurden zur Insel im Lake Superior gerufen. Sie wurden aus der Stadt abgezogen, und sogar das Sheriffs Department hat sich auf den Nationalpark konzentriert.“
Tief beunruhig rief Storm ihre Eltern an. Sie freute sich sogar über das Gezeter ihres Vaters, weil sie ihn mitten in der Nacht aus dem Bett geholt hatte, was nicht ganz korrekt war, da der Sonnenaufgang nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Teresa und Jasper ging es gut, das war das Einzige, was zählte. Storm war noch nie so froh gewesen, jemanden schimpfen zu hören.
Malcolm brachte sie nach Hause, und sie legte sich für wenige Stunden aufs Ohr. Gerädert, aber voller Hoffnung, dass wenigstens das Diktiergerät brauchbare Fingerabdrücke oder Ähnliches aufweisen würde, war sie nach einem Nickerchen – mehr konnte man es nicht nennen – auch schon wieder auf dem Revier und organisierte den Polizeischutz für ihre Eltern. Jasper hatte am Telefon zwar gemeint, dass der beste Personenschutz der wäre, wenn Storm zu ihnen ziehen würde. Die Katzenallergie ihrer Mom stand dem nun auch nicht mehr im Weg. Trotzdem lehnte sie zum zweiten Mal dankend ab. Sie liebte ihre Eltern. Aber mit ihnen wieder zusammenzuwohnen, das würde sie nicht mehr ertragen.
Nachdem Storm und Malcolm Commissioner Lombard über den Einsatz in der vergangenen Nacht berichtet hatten, wollten sie gerade wieder das Revier verlassen, als sie Lucille auf dem Flur trafen.
„Du siehst müde aus“, wandte sich die Rechtsmedizinerin an Malcolm. Ihr Lächeln war breit und sinnlich.
Storm war es gewohnt, dass Lucille hauptsächlich mit ihrem Partner sprach. Es nervte sie, aber nicht so sehr, dass sie einen Anlass darin sah, sich zu beschweren.
Er trug an diesem Morgen seine violette Lakers-Kappe und lüftete sie nun nervös. „Wir bekommen zurzeit wenig Schlaf. Zu viel zu tun. Aber das ist gut so. Es bedeutet, dass der Fall endlich vorangeht.“
Errötete er? Storm konnte es kaum glauben. Sie hatte ihn noch nie verlegen gesehen. Er wich Lucilles Blick aus, als ob etwas zwischen ihnen vorgefallen wäre. Etwas Amouröses.
„Wenn du zwischendurch mal die Augen schließen möchtest, komm einfach zu mir. In der Rechtsmedizin ist es immer sehr ruhig.“ Sie zwinkerte Malcolm zu. „Die Spurensicherung hat schon einen Blick auf das Diktiergerät geworfen. Interessant.“
Das Labor der Spurensicherung befand sich auf derselben Etage mit den Räumen der Rechtsmedizin. Entweder hatte Lucille sich dazu bereit erklärt, die Informationen für die Kollegen weiterzuleiten, oder sie hatte zufällig etwas aufgeschnappt. Jedenfalls hatte sie somit einen Vorwand, um Malcolm zu besuchen.
Storms Neugier war geweckt. „Und? Haben sie etwas gefunden?“
Canberra verschränkte die Arme vor dem Oberkörper direkt unter ihrem Busen und lenkte damit das Augenmerk auf ihre Brüste, über denen sich ein weißer Mohairpullover spannte. „Es waren Fingerabdrücke darauf.“
„Tatsächlich? Dann hatte der Wachsmörder nicht geplant, uns das Gerät zu überlassen“, schlussfolgerte Storm.
„Er muss es verloren haben, als er in sein Boot gestiegen ist, um zu flüchten.“ Malcolm lächelte zufrieden, weil der Killer unvorsichtig wurde. Kurz streifte sein Blick Lucilles Busen, dann schaute er rasch aus dem Fenster, als hätte er dort etwas gesehen.
Storm nickte. „Denn er wusste, wir würden auf die Insel kommen.“
„Wegen dem Handy“, pflichtete er
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